Rezension

Nette Unterhaltung

Memory Wall - Anthony Doerr

Memory Wall
von Anthony Doerr

Bewertet mit 4 Sternen

Alma lebt in einem Vorort von Kapstadt und lebt ganz in ihren Erinnerungen. Denn Alma ist schwer dement und nur mit Hilfe eines Apparates der an Ports in ihrem Kopf andockt kann sie alte, in mühsamen Sitzungen gerettete Erinnerungen erneut erleben. Diese Art der Erinnerung macht süchtig und so verbringt Alma ihre Tage größtenteils in der Vergangenheit, denn die Gegenwart ängstigt sie zunehmend. Gleichzeitig sind Diebe auf der Suche nach einer bestimmten Erinnerung Almas um einen bedeutsamen Fossilienfund, den ihr Mann unmittelbar vor seinem Tod gemacht hat, wieder aufzuspüren. Doch nur Alma kennt das System ihrer Erinnerungswand und der daran befestigten Fotos, Notizen und Speichermedien und so taucht der Waisenjunge Luvo jede Nacht in Almas Vergangenheit ein, immer auf der Suche nach einer bestimmten Erinnerung.

Die Erzählung wechselt die Perspektive zwischen Alma, ihrem Diener Pheko, sowie den nächtlichen Eindringlingen Roger und Luvo, dadurch hat der Leser die Gelegenheit, alle diese Personen trotz der Kürze der Erzählung so gut wie möglich kennenzulernen. Leider fehlte mir hier allerdings die klarere Differenzierung der Perspektiven durch unterschiedliche Erzählstile. Denn alle Protagonisten haben fast denselben Wortschatz und dieselbe Art zu sprechen und zu denken, wodurch sie weniger wie individuelle Charaktere wirken.

Durch den Perspektivwechsel werden dem Leser auch die Beweggründe der einzelnen Personen klar und so fällt es schwer, die nächtlichen Diebe pauschal als böse anzusehen, denn auch sie kann man gut verstehen und hofft, dass sich ihr Leben noch zum Guten wendet. Begeistert hat mich auch die Beschreibung der Stadt und Landschaften. Ohne unnötig in Details abzuschweifen, schildert Doerr die Umgebung so gut, dass man als Leser direkt ein Bild vor Augen hat und sich mit den Figuren mal in einen südafrikanischen Township, mal in die unendlichen Weiten der Karoo-Wüste versetzt fühlt.

Diese gute Schilderung erstreckt sich allerdings auch auf die Beschreibung der Ports in Almas und Luvos Kopf, so dass es mich beim Lesen manchmal grauste, wenn erklärt wurde, wie sich die Ports anfühlen und welche Auswirkungen sie haben. Da hofft man beim Lesen direkt darauf, dass sie immer eine Fantasie bleiben und so eine Erfindung nicht irgendwann Realität wird.

Trotz des gelegentlichen Unbehagens hat mir das Buch insgesamt gut gefallen. Mit seinen nur 135 Seiten bietet es nette Unterhaltung für zwischendurch.