Rezension

Netter Zeitreisekrimi für zwischendurch

Dreikönigsmord - Bea Rauenthal

Dreikönigsmord
von Bea Rauenthal

Pro:
Das Cover hätte mich nicht auf den Gedanken gebracht, dass es sich hier um einen Zeitreisekrimi handelt - aber dennoch finde ich es passend gestaltet. Die beiden Ermittler stechen in zweierlei Hinsicht aus ihrer Umgebung heraus: Zum einen sind sie gegen das schneebedeckte Feld und den strahlend-blauen Himmel nur schwarze Silhouetten. Zum Anderen ist da, wo sie stehen, das Cover, das ansonsten hochglänzend gestaltet ist, matt. Für mich ist das eine sehr subtile Anspielung darauf, wie wenig die beiden Kommissare aus der Gegenwart in die mittelalterliche Welt passen, in der sie sich wiederfinden.
Dies ist der erste Zeitreisekrimi, der mir je in die Hände gefallen ist - ich habe nicht den Eindruck, dass es davon allzu viele gibt! Es macht Spaß, mal wieder etwas zu lesen, was noch nicht ausgelutscht und tausendfach verhackstückt wurde. Wer weiß, vielleicht tritt Bea Rauenthal ja einen neuen Trend los? Aber jetzt und hier ist es eine unverbrauchte, originelle Idee.

Der Krimi fängt mit einem klassischen Mordfall an (wenn man mal den Zeitsprung ignoriert): ein junger Mann wurde mit durchgeschnittener Kehle gefunden, und nun gilt es, den Mörder zu finden. Das sollte ja nicht so schwer sein. Tja, glaubt man als Leser vielleicht... Aber zum Einen gibt es im Mittelalter nunmal rein gar nichts, was ein moderner Kommissar so gewohnt ist. Und zum Anderen stellt sich schnell heraus, dass es sich hier nicht um einen einfachen Mord aus Habgier, Hass oder Eifersucht handelt. Außerdem bleibt es nicht bei dem einen Mord...

Die Handlung erweist sich schnell als vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat, und auch die Menschen, denen Lutz und Jo begegnen, sind längst nicht alle, was sie zu sein scheinen. Für mich war der Krimi, bis auf wenige temporeiche Szenen, eher auf relativ harmlose, bedächtige Weise spannend. Viel von dem Reiz des Romans liegt ja nicht im Kriminalfall an sich, sondern daran, dass der Leser zwei ganz normalen Menschen von heute dabei zusieht, wie sie sich in einer völlig fremden Welt zurechtfinden - die dennoch überraschende Übereinstimmungen mit der heutigen Welt hat. (Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass es damals schon Bordelle mit Lustknaben für die homosexuelle Klientel gab?)

Lutz Jäger war mir direkt sympathisch (auch, wenn er ein Weiberheld ist), und auch viele der Nebencharaktere haben mir gut gefallen, wie zum Beispiel die weise, überraschend weltoffene Äbtissin Agnate oder die leidgeplagte Magd Katrein, die sich nur darüber wundern kann, wie ihre Herrin Josepha sich auf einmal verändert hat. Mit Jo Weber habe ich mich dagegen oft schwergetan (s. Kontra).
An sich finde ich den Schreibstil sehr flüssig und angenehm. Die Autorin schildert detailliert Menschen, Umgebungen und Bauwerke, so dass man die mittelalterliche Stadt gut vor sich sehen kann. Die Dialoge finde ich nur zum Teil gut gelungen, mit gutem Gefühl für Tempo und geschichtliche Atmospähre - oft ging mir in den Dialogen das Mittelalterliche flöten (s. "Kontra").

Jo und Lutz sind zunächst wie Feuer und Wasser. Sie kann ihn nicht ausstehen, weil sie für einen hirnverbrannten Chauvi hält, er kann sie nicht leiden, weil sie immer auf dem hohen Ross sitzt. Da sie aber nunmal gezwungen sind, zusammen zu arbeiten, ergeben sich witzige Dialoge... Und natürlich auch, unvermeidlich, romantische Gefühle. Eigentlich geben die beiden gerade durch ihre Unterschiede ein interessantes Paar ab - andererseits fand ich diese Entwicklung nicht immer glaubwürdig (s. "Kontra").

Kontra:
Ich muss direkt dazu sagen, dass ich kein großer Freund historischer Romane bin - und ich würde mich auch nicht gerade als übermäßig geschichtlich gebildet bezeichnen, insofern kann ich nicht beurteilen, wie authentisch und tatsachengetreu hier das Mittelalter geschildert wird. Aber manchmal kam mir die Sprache in den Dialogen ein wenig anachronistisch vor. Vielleicht ist das allerdings ein bewusster Schachzug der Autorin, um den Roman für die Leser einfacher und unterhaltsamer lesbar zu machen? Auch hab ich oft ein wenig schlucken müssen, wie unbedarft Lutz und Jo Dinge ins Mittelalter einführen, die es da noch gar nicht gab - Fußball, Weihnachtsbäume und -lieder...

Jo ist ganz groß darin, sich über Dinge aufzuregen und sich über Dinge zu beklagen. Außerdem neigt sie für eine Kommissarin in erstaunlichem Ausmaß zu Schubladen-Denken. Ja, natürlich ist es schwierig, im Mittelalter einen Mord aufzuklären, ohne auf DNA-Proben oder auch nur Fingerabdrücke zurückgreifen zu können. Aber man sollte meinen, dass sie, als intelligente Frau, in der Lage wäre, auch mal eine kreative Lösung zu finden und sich nicht nur endlos darüber zu beschweren. Lutz ist da weit einfallsreicher! Außerdem sitzt sie wirklich oft auf dem hohen Ross, da kann ich Lutz nur rechtgeben.
Mir ging das von gegenseitiger Abneigung zu romantischen Gefühlen ein wenig zu... naja, nicht zu schnell, aber nicht graduell genug. Ich hatte nicht so sehr das Gefühl, dass sich da was entwickelt, sondern dass es dann einfach da ist.

Der Schluss hat mich mit offenen Fragen zurückgelassen. Zum Beispiel ist es so, dass Jo und Lutz in ihre Vorfahren im Mittelalter sozusagen "hineingesprungen" sind. Wo waren die in der Zeit? Einfach nicht existent? Und noch wichtiger, was wird aus ihnen, sobald Jo und Lutz wieder in die Gegenwart zurückgesprungen sind? Denn sagen wir mal so: sie finden sich wahrscheinlich in einer verflixt brenzligen Situation wieder und haben eine Menge zu erklären...

Zusammenfassung:
Der Krimi bietet zwar weder Hochspannung noch 100%ige historische Glaubwürdigkeit, aber er ist unterhaltsam und originell. Man sollte eher ein nettes Buch für zwischendurch erwarten als ein Buch, das einen wirklich tief beeindruckt.