Rezension

Neuanfang im Oberkampf

Oberkampf - Hilmar Klute

Oberkampf
von Hilmar Klute

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Buch was viel anschneidet und doch bunt durcheinander ist. Mich hat der Schreibstil und die Erzählweise gefesselt.

Mit 40 versucht Jonas nochmals einen Neuanfang. Nach gescheiterter Beziehung und Firma will er in Paris sich als Schriftsteller versuchen und sein Idol Richard Stein interviewen. In der Oberkampf beginnt sein Leben in Paris und mit ihm auch die schrecklichen Terroranschläge auf Charlie Hebdo.

 

"Die Stadt, das Land, die ganze Welt verfolgte diese zwei oder drei Männer, die mit ein paar Kalaschnikow- Salven die Zivilisation zum Krüppel geschossen hatten. Die Gewalt machte aus einem Volk ein anderes Volk. Sie stellte die Angst an die Stelle der Sicherheit. Und der Krieg, von dem es so viele Bilder, Texte und Vorstellungen gab, der Krieg war in Endlosschleife im Fernsehen zu sehen." (Seite 64)

 

Ich kann mir vorstellen dass nicht viele meine Begeisterung für dieses Buch verstehen werden. Und es fällt mir auch schwer diese genau zu beschreiben, zu umschreiben, aber Hilmar Klute hat mich gepackt mit seinem Buch.

 

Was für mich unglaublich gelungen ist - der Schreibstil, die Erzählungen über das französische Leben. Diese Leichtigkeit, diese pure Lebensfreude, diese Offenheit aber auch das Kulinarische bringt der Autor so gekonnt, bunt, laut und vielfältig an den Leser heran. Es war herrlich mit Jonas seinen Augen durch Paris zu schlendern.

 

Jonas ist eine gescheiterte Existenz, möchte aber in Paris einen Neuanfang wagen. Einen roten Faden im Leben von Jonas gibt es nicht. Er schweift sehr oft und zu Beginn ab in die Zeit als er noch in Berlin lebte. Dies war zu Beginn auch etwas schwer zu verfolgen und brachte Unruhe in das Verstehen und lesen. Mit der  Zeit legt sich dies aber.

 

Wie die Welt ist auch Jonas von den Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo schockiert. Er verfolgt die Berichterstattung sehr genau, womöglich ebenso wie viele Leute zu dieser Zeit auch. Wie sehr es den Alltag beeinflusst und das Leben und die Leichtigkeit verändert. Wie Ängste plötzlich mehr Raum erhalten. 

 

Es geht um soviel mehr. Um einen Neuanfang wo andere schon Haus, Familie und Jahresurlaub haben. Um alte und neue Liebe. Um das selbst finden. Wie das Leben nehmen und genießen? Was zählt? Wie will ich mein Leben gestalten. 

 

Wie Frankreich anfing mit dem Terror zu leben, versucht sich nicht seine Werte stehen zu lassen. Aber auch wo die Probleme liegen, wie leicht es diese Terroristen haben. Auch die Gedanken zu diesem Thema haben mich bei Jonas fasziniert und selbst zum nachdenken angeregt denn er, als "Nicht" Franzose geht damit immer noch anders um als die Landsleute selbst.

 

Wie gesagt, vieles wird nur angeschnitten,nicht vertieft und doch ist es das Buch wie das Leben selbst. Einen roten Faden hat nicht wirklich jeder, oder?

 

Ich persönlich bin sehr angetan und empfehle dieses Buch gerne weiter.