Rezension

Neue Perspektive.

YOU - Du wirst mich lieben - Caroline Kepnes

YOU - Du wirst mich lieben
von Caroline Kepnes

Bewertet mit 3 Sternen

oe, seines Zeichens Buchhändler, ziemlich belesen und ziemlich intelligent, hat die Liebe seines Lebens gefunden. Er ist regelrecht vernarrt in die junge Studentin Beck - und ihm ist kein Mittel zu schade, sie zu bekommen. Praktisch, dass Beck quasi ihr ganzes Leben online ausbreitet. Da fällt es Joe nicht gerade schwer, immer wieder Situationen zu schaffen, in denen er Beck beeindrucken kann. Bis sie sich wirklich in ihn verliebt..

Stalking Geschichten sind ja prinzipiell erstmal nichts neues - hier fand ich allerdings zweierlei interessant. Erstens hätten wir da den Perspektivwechsel. Normalerweise verfolgt man die Handlung in diesem Fall ja eher aus der Sicht des Opfers. Hier begleiten wir aber Joe als Täter auf seinem Weg. Spannend, schließlich kann ich als Leser nur so mitkriegen, welche Gedanken und Intentionen hinter seiner Tat stehen. Und zweitens haben wir das scheinbare Happy End, denn der Stalker bekommt ja letztendlich, was er will. Beklemmende Vorstellung, dass man derart manipuliert werden kann, eine Beziehung zu einem derart kranken Menschen einzugehen. Soviel zur Theorie.

In der Praxis wurde das alles nur teilweise bedient. Teil eins mit dm Perspektivwechsel war super - ja, ich habe verstanden was mit Joe los ist. Was in ihm vorgeht. Warum er das tut. Normal sind seine Gedanken sicher nicht. Aber nachvollziehbar. Und auf psychologischer Ebene doch auch authentisch. Pluspunkt für das Buch also.
Punkt 2.. tja. Die Beklemmung hat sich da leider nicht eingestellt. Denn ich glaube kaum, dass es da draußen viele Frauen gibt, die sich mit der Dame identifizieren können. Die hat nämlich mindestens so viele Schrauben locker wie ihr netter Stalker. Vom Vaterkomplex bis zum leicht ausgeprägten Narzissmus ist hier alles dabei. Mitleid kann man mit ihr also eher nicht empfinden - sie provoziert das alles schon ein wenig. Nein, das hier ist kein Victim - Blaming, lediglich die Feststellung dass sich da irgendwie schon zwei gefunden haben.

Auch ansonsten hat man das Gefühl, dass man in diesem Buch auf KEINE EINZIGE normale Person stößt. Der ehemalige Lover ist ein verwöhnter Schnösel, wie er im Lehrbuch steht, die beste Freundin vom Hypochonder bis zur egozentrischen Manipulatorin alles ein bisschen. Das ist vom Guten dann doch ein bisschen zu viel - weil es so fernab der Realität steht.

Würde man die Handlung etwas zurücknehmen und etwas mehr auf dem Boden der Tatsachen bleiben wäre das ein geniales Buch geworden. So ist es irgendwie interessant - aber eher so aus der "Forscher guckt durch das Mikroskop" Perspektive.