Rezension

Nicht alles Gold was glänzt

Die Zeit des Lichts - Whitney Scharer

Die Zeit des Lichts
von Whitney Scharer

Bewertet mit 3 Sternen

Worum es geht:

Als Lee 1929 in Paris vor dem Nichts steht, landet sie schicksalhaft in den Kreisen Man Ray's. Als sein Schüler erhofft sie in die Kunst der Fotografie zu erlernen. Selbst ein großer Künstler werden, nachdem sie bisher immer bloß Muse und Model war. Dass zwischen ihr und Man die Funken sprühen bemerkt sie viel zu spät. 
Scharer erzählt in ihrem Debüt den Werdegang von Lee Miller beginnend bei Man Ray bis zu ihren grössten Erfolgen. Die fiktive Biografie sprüht nur so Leidenschaft.

"Ich fotografiere dich, damit du dich hier bewerben kannst. Ich kenne ein paar Leute bei Laurent´s - die suchen immer nach neuen Mädchen."
Lee stellt die Tasche hin. "Ich will nicht, dass sie mich fotografieren. Ich will selbst fotografieren. Ich will bei Ihnen lernen." 
"Ich nehme keine Schüler."

Meine Meinung: 

Fiktionale Biografien über bewunderswerte Frauen unserer Geschichte sind seit Mclain's Paris Wife ein gern gesehenes Genre in meiner Bibliothek. Vor allem die 20er Jahre in Paris mit allmöglichen Künstlern hat meine Faszination im Griff. Das Debüt von Withney Scharer beginnt genau dort, diesmal allerdings nicht mit Konzentration auf Literatur sondern Fotografie. Lee Miller, hier als die Mätresse von Man Ray betitelt, ist die mutige Frau die sich nicht nur mit Fotografie sondern auch als Kriegsreporterin einen Namen machte. 

"Das Licht ist unser Werkzeug", sagt er. "Der Film ist nur die Oberfläche, um das Licht einzufangen und zu fixieren, aber bevor er nicht entwickelt ist, wird jedes zusätzliche Licht zum Feind."

Ein Vorteil bei einem solchen Thema kann sein, dass Leser die Figuren schon irgendwie kennen. Beschreibungen des Aussehens sowie des Charakters werden fast Überflüssig anhand der vielen Fotos die es von Lee Miller gibt. Dennoch kam es mir zu wenig vor. Ich kenne Paris, ich kenne Lee Miller, ich kenne Man Ray. Doch eine Atmosphäre aufbauen muss sein, und hier kam genau diese ein bisschen zu kurz. Lee Miller wird fast ausschliesslich als "schönste Frau in Paris" beschrieben. Darunter kann ich mir allerdings vieles vorstellen. Man bedenke dass jemand blindes, der das Hörbuch hört, nicht die Möglichkeit hat einfach Bilder als Referenz zu nutzen. 

Während McLain und Therese Anne Fowler Tagebücher und Briefe als Referenz nutzten, wirkt Scharer's Roman sehr frei. Was genau die Autorin zu Recherche nutzte, habe ich nicht herausgefunden. Hauptpunkt der Handlung ist die Liebe zu Man Ray. Leser sollten also eher Interesse an einer Liebesgeschichte als an einer Biografie haben. Den Echtheitsgrad kann ich nicht beurteilen, jedoch wirkte alles sehr romantisiert in meinen Augen. 
Die politischen Geschehnisse der Zeit werden beinahe komplett ignoriert, einzig der Krieg darf paarmal erwäht werden. Die Handlung hätte genausogut in England oder Bangkok stattfinden können. In ihrem Versuch Paris glamourös erscheinen zu lassen erwähnt sie einfach mal jede Persönlichkeit von der man weiss, dass sie 1930 in Paris war. 

Dies klingt jetzt alles recht negativ, aber ich versuche objektiv zu bleiben. Ich persönlich habe das Buch sehr gerne gelesen. Lee Miller war eine mir bisher recht "egale" Persönlichkeit, über ich die ich froh bin, mehr erwahren zu haben. Die Funken, die zwischen den beiden sprühten fand ich schon gut umgesetzt. Der Gänsehautmoment blieb zwar aus, aber alles in allem fand ich die Liebegeschichte für ein Debüt gut umgesetzt. 
Wer jetzt hoft nach der Liebesgeschichte die späteren Jahre Miller's erleben zu dürfen wird enttäuscht. Nur einen Blick in die Zukunft, einer Alkoholabhängigen ohne Interessen, kriegen wir. Am Ende wird Miller für mich, trotz Scharer's Versuch eine grosse und starke Frau zu porträtieren, doch in die Rolle der Geliebten zurückdegradiert. 

Neben den oben genannten Titeln gibt es ausserdem eine tolle Reihe fiktiver Biografien von starken Frauen hinter der Kunst beim Aufbau Verlag.