Rezension

Nicht einmal der Tod kann dich vor ihm schützen!

Der Totenerwecker - Wrath James White

Der Totenerwecker
von Wrath James White

Bewertet mit 4 Sternen

~~Selten hat es ein Buch geschafft mich mit seinem ersten Kapitel so zu begeistern und gleichzeitig fassungslos zu machen. Dale McCarthy muss als kleiner Junge Nacht für Nacht mit anhören, wie sein Vater seine Mutter demütigt, verprügelt und vergewaltigt. In dieser einen besonderen Nacht sind die Geräusche, die er aus dem unteren Stockwerk wahrnimmt, noch heftiger und grausamer, so dass er sein Comicheft verzweifelt umklammert und sich zum Elternschlafzimmer begibt. Was er dort sieht und erlebt wird später erfahrene Polizisten schockieren und deren Mägen umdrehen. Er realisiert erst im Polizeiauto, nach den Schüssen, dass seine Mutter tot ist und so rennt er zurück in das Schlachtfeld. Verzweifelt versucht er sich an Mund-zu-Mund-Beatmung und tatsächlich, der Fleischklumpen, der einmal seine Mutter war, beginnt sich wieder zu regenerieren.
 Wohl gemerkt, das hier passiert nur im ersten Kapitel!

Jahre später zieht Dale in die Nachbarschaft von Sarah und Josh nach Las Vegas. Er verliebt sich sofort in die atemberaubend schöne Sarah und macht auch mit ihr, was er jahrelang mit anderen Frauen praktiziert hat. Er vergewaltigt sie, quält sie, Nacht für Nacht, bringt sie um und holt sie dann wieder zurück.
 Sarah kann sich nicht erinnern, dass dies nachts mit ihr passiert, doch sie hat sehr lebhafte Albträume und in ihrem Schlafzimmer verändert sich Dinge. All das lässt sie nicht mehr zur Ruhe kommen und so beginnt sie Paranoia zu entwickeln und forscht nach, was mit ihr los sein könnte. Sie ist sich sicher, dass all dies etwas mit ihrem neuen Nachbarn zu tun hat, nur beweisen kann sie nichts.

“Der Totenerwecker” beginnt äußerst stark und wenn man das Buch nach dem ersten Kapitel nicht bereits angewidert, schockiert und entsetzt zugeklappt und aus dem Fenster geworfen hat, so will man weiterlesen und erfahren, was aus Dale und seiner Gabe und was aus Sarah und ihrer Ehe wird. Wrath James White verliert sich hier auch nicht in einer blutigen Schlachthausorgie nach der anderen, sondern beschreibt nur wenige Taten des Totenerweckers realistisch und detailliert. Viel wird lediglich angedeutet und der Phantasie des Lesers überlassen, der sich bereits nach einigen durchlebten Nächten im Buch wünscht, dass diese weniger trainiert und ausgeprägt wäre.

Durch die Einführung ins Buch weiß man zwar was hinter dem Ganzen steckt und wer daran Schuld ist, dennoch ist es recht spannend zu sehen, wie Sarah und Josh dem auf die Schliche kommen. Im Mittelteil wird man als Leser daher mit der wachsenden Angst der Protagonisten konfrontiert und deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben.

Leider muss ich sagen, dass mir gerade in diesem Teil der Charakterausbau der Figuren nur mäßig gefallen hat.
 Dale als Täter, mit dem der Leser in das Buch einsteigt, wird zur Randfigur degradiert und taucht nur ab und zu als unheimlicher, hagerer junger Mann auf, dem sein Pokerface immer wieder in ein wissenden Lächeln entgleitet. Zudem schwankt er zwischen einem unsicheren Mann und einem vermeintlich perfiden Genie. Letzteres möchte ich ihm gleich wieder absprechen, da er einfach viel zu stümpferhaft bei seinen Taten vorgeht und viel zu viele Spuren hinterlässt, die zurückverfolgbar sind.
 Sarah als nymphomanische Hausfrau mit einem Bombenaussehen (keine Frau in Las Vegas ist schöner als sie) hat mich doch immer wieder etwas aufgeregt. Sie ist mir viel zu wechselhaft (taffe Frau, verängstigter Hase) und poltert lüstern durch ihr Leben. Ihr Mann wird ähnlich dargestellt.
 Ich persönlich hätte mir hier entweder eine weitaus detaillierter Beschreibung von Dales Innenleben gewünscht, warum er zu dem geworden ist, was er nun einmal ist und was sich in seinem Kopf abspielt. Sollte der Fokus mehr auf Sarah gerichtet sein, so hätte ich mir gewünscht, dass man weniger von Dale gewusst hätte und ähnlich wie die Protagonistin paranoid gerätselt hätte, was da verdammt noch einmal mit ihr vorgeht.
 So, wie White es getan hat, hat mich der Mittelteil des Buches zwar am Lesen gehalten und auch unterhalten, aber nicht unbedingt durchweg begeistern können.

Das Ende des Buches hingegen ist für den Festa-Verlag typisch. Die Geschehnisse spitzen sich zu, als Leser sollte man auf ziemlich kranke Phantasien und deren detaillierte Beschreibung gefasst sein und am besten vorher nichts gegessen haben. Das Ende vom Ende ist dann wirklich sehr verblüffend, genial und absolut top und alleine deswegen ist das Buch lesenswert.

Für mich war “Der Totenerwecker” ein blutiger, ekliger und rasanter Lesespaß, der leider Abzüge in der Charaktertiefe bekommt. Wer einmal einen richtig bösartigen Killer erleben möchte, dem nicht zu entkommen ist, der ist mit diesem Buch wirklich gut beraten.