Rezension

Nicht für zwischendurch

Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung - Valentina D'Urbano

Mit zwanzig hat man kein Kleid für eine Beerdigung
von Valentina D'Urbano

Bewertet mit 5 Sternen

La Fortezza - die Festung, so nennen die Bewohner einer italienischen Stadt hier ihr Viertel. Wer dort lebt, kommt nicht mehr raus aus diesem Viertel, will es vielleicht auch gar nicht. Beatrice lebt hier mit ihrer Familie und ihrem Bruder. Alfredo hat auch hier gelebt, eigentlich ein Stockwerk über ihnen. Aber seit seine Mutter tot und sein Vater nur noch betrunken ist und ihn und seine beiden Brüder anbrüllt und verprügelt, schlief er meist bei Beas Familie, am liebsten mit in ihrem Bett. Alle nannten sie die Zwillinge, weil man sie nur zusammen sah.
Als Bea ihn kennen lernte, war Alfredo 9 Jahre alt. Das war 1974. Jetzt haben wir 1987 und Alfredo ist tot.

Meine Meinung

Liest man den Klappentext, hat man absolut keinen Hinweis, worauf man sich hier letztendlich einlässt, bis auf die Beerdigung im Titel und die Erwähnung eines prügelnden Vaters.
Und auch nach den ersten Seiten ist das Gelesene irgendwie holperig und sprunghaft. Später wurde mir klar, warum, denn eigentlich ist der Beginn des Buches das Ende.

Die eigentliche Geschichte der beiden beginnt in ihrer Kindheit. dabei geht es ständig Auf und Ab, denn so sehr die beiden sich doch nerven und sich auf den berühmten Keks gehen, und Bea trotz seiner familiären Situation sehr eifersüchtig auf ihn ist, so sehr brauchen sie einander auch.
Die Autorin lässt die beiden meist sehr ruppig und mit rauhem Ton miteinander umgehen. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man mehr von der Umgebung erfährt, in der sie aufwachsen. Diebstahl, Alkohol und Drogen sind tägliches Geschehen, schwangere Teenager kein ungewohntes Bild.

Selten fällt ein liebes Wort, kaum eine Begebenheit endet nicht mit Streit und lautem Getobe. Und doch geht es nicht ohne einander.
Wer in dieser Gesellschaft lebt, bekommt selten eine Chance, ihr zu entfliehen. Keine Arbeit, kein Geld, keine Perspektive, der Stempel scheint auf der Stirn zu haften
Und so schlittert man als Leser in die Aussichtslosigkeit, und man muss "zusehen", wie die Lage entgleitet.

Wie um sich auf Distanz zu halten, um nur keine Emotionen zu zeigen, wird die Geschichte aus Beas Ich-Perspektive in knappen, kurzen Sätzen, fast schnippisch erzählt. Im Verlauf ändert sich das, es wird einfühlsamer, die Sätze wirken nicht mehr so abgehackt. Was bleibt, ist die direkte Art der Autorin, hier wird nichts zurückgehalten, nichts beschönigt.
Der Ausdruck der Hilflosigkeit, Verzweiflung und letztendlicher Aufgabe im letzten Drittel kommt sehr gut rüber, ist fast greifbar.

Unterm Strich

Der anfängliche spröde Eindruck konnte mich nicht davon abhalten, das Buch kaum aus der Hand zu legen. Es hat mich berührt, gefesselt und traurig gemacht. Aber vor allem hat es mir gefallen.