Rezension

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Nicht ganz der ewige Rausch, aber definitiv eine Ode an das Leben!

Du bist so schön, sogar der Tod erblasst -

Du bist so schön, sogar der Tod erblasst
von Akwaeke Emezi

Feyi hat einen schrecklichen Verlust erlitten und selbst 5 Jahre danach weiß sie immer noch nicht, wie sie weitermachen soll. Also entscheidet sie sich, sich einfach ins Leben zu stürzen, ohne nachzudenken. Sie entscheidet sich, nicht die von Trauer niedergedrückte Feyi zu sein, sondern einfach eine Frau, die begehrenswert ist, die Bedürfnisse hat, die lebendig ist. Die Konsequenzen sind ihr egal, denn die „wahre“ Feyi berührt dieses Theater nicht. Doch der Kerl, auf den sie sich an diesem einen Abend einlässt, ist nicht nur eine flüchtige Begegnung und Gelegenheit, sondern ein Anfang, dem eine ganze Reihe an Ereignissen folgt.
Schneller, als Feyi es verarbeiten kann, lernt sie Nasir kennen, der mehr will, als nur schnellen Sex. Also entscheidet sich Feyi, dass sie Freunde werden. Sie entscheidet sich, mit ihm auf eine karibische Insel zu reisen und Teil einer publikumswirksamen Ausstellung zu werden. Als Gast in einem paradiesischen Haus, an einem wirklichkeitsfernen Ort und mit einem Gastgeber, der Feyi noch mehr als Nasir aus der Fassung bringt, ist sie gezwungen, Augen und Ohren – Herz und Seele – zu öffnen, in sich hinein zu hören, sich mit sich selbst, ihren Wünschen, ihrer Lust auseinanderzusetzen – und eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen: Wie soll ihr Leben zukünftig aussehen?

„Du bist so schön, sogar der Tod erblasst“ ist eine eher klassische Liebesgeschichte, die ganz typisch an vielen Stellen zu schön ist, um wahr zu sein: verständnisvolle, einfühlsame Männer, wo du auch hinschaust, traumhaftes Setting, beruflicher Erfolg und natürlich – so viel sei vorweggenommen – ein Happy End. Wenn der Klappentext eine unkonventionelle Liebesgeschichte verspricht, dann lässt sie sich eher dezent auf einen zweiten Blick entdecken – wenn sie denn wirklich da ist. Eher unkonventionell ist, wie stark Liebe (auch zukünftige) hier von Trauer und Verlust geprägt bzw. damit verbunden ist. Und auch die unaufgeregte, schnörkellose Art, wie diese Trauer dargestellt wird, war für mich mal erfrischend anders. Auch noch eher unkonventionell ist die zum Teil unzensierte Darstellung weiblicher Lust und Sexualität, die nicht übertrieben oft, dafür an manchen Stellen aber explizit ist.

Wirklich beeindruckend fand ich aber weder die Liebes- noch die Verlustgeschichte, sondern der Fokus auf die Entscheidungsfreiheit der Menschen – und in dem Zusammenhang nicht unwichtig besonders die Entscheidungsfreiheit von Frauen - und wie der Roman bzw. Emezi darüber hinaus vermeidet, die getroffenen Entscheidung in irgendeiner Form final zu bewerten. Feyi trifft ziemlich bewusst Entscheidungen, auch solche, die auf Kritik und wenig Gegenliebe stoßen oder völlig daneben erscheinen. Aber sie entscheidet allein und allein für sich und steht dazu (immer an ihrer Seite: ihre unerschütterlich loyale Freundin Joy!). Ihr Reifungsprozess ist beeindruckend und dafür bekommt der Roman 4 von 5 Sterne von mir.