Rezension

Nicht nur traurig, nicht nur schön - aber mitten aus dem Leben

Was ich dich träumen lasse - Franziska Moll

Was ich dich träumen lasse
von Franziska Moll

Pro:
Das Cover ist wunderschön und träumerisch, und es hat mir sehr gut gefallen. Allerdings passt es nur bedingt zum Inhalt des Buches, denn das ist nicht immer wunderschön und träumerisch - es hat Ecken und Kanten, und manchmal zeigt es auch die hässlichen Seiten des Lebens.

Ich habe mir von diesem Roman viel erwartet, aber ehrlich gesagt nicht unbedingt Originalität. Es gibt inzwischen einige Bücher, in denen die Protagonistin eine Liste mit Zielen findet und abarbeitet, und am Schluss hat sie dann meist viel über sich und das Leben gelernt. Oberflächlich betrachtet passt "Was ich dich träumen" lasse sicher in dieses Schema, aber eben nur oberflächlich - die Geschichte gewinnt unglaublich viel an Originalität und Tiefgang durch ihre Heldin.

Elena ist eine sehr interessante Protagonistin: sie ist schwierig, manchmal sperrig, oft überraschend, gelegentlich schockierend... Sie kann aggressiv, unfreundlich und sarkastisch sein. Und dennoch mochte ich sie und habe mit ihr mitgelitten und mitgefiebert, denn unter all dem Bravado verbirgt sich eine verletzte Seele.

Die Autorin verrät uns nur nach und nach, Stückchen für Stückchen mehr über Elenas schwieriges Leben und ihre problematische Vergangenheit, und das hat für mich einen Großteil der Spannung ausgemacht - sogar mehr noch als die Frage, ob Rico aufwachen wird oder nicht. Ich war manchmal sehr überrascht über die Entscheidungen, die Elena trifft - katastrophal falsche Entscheidungen, die zeigen, wie verkorkst sie durch ihr bisheriges Leben ist... Aber das macht sie auch echt und komplex.

Rico ist ein sympathischer Charakter, den wir durch Elenas Erinnerungen kennenlernen. Er ist süß und nett und liebt seine Freundin und seine Familie offensichtlich über alles - aber er wirkt auch noch sehr jung, sehr naiv. Elena denkt öfter darüber nach, wie wenig Rico von den schlimmen Dingen weiß, die im Leben passieren können, und genau diese Unschuld macht für sie einen Teil dessen aus, warum sie ihn so sehr liebt - denn sie hat diese Unschuld schon lange nicht mehr. Die beiden sind unterschiedlich wie Tag und Nacht, aber vielleicht ergänzen sie sich dadurch so perfekt.

Aber mein Lieblingscharakter war Tim, der Krankenpfleger, der auf den ersten Blick ein grausamer Widerling zu sein scheint - und im Buch so nach und nach zu Elenas Vertrautem und einzigen Freund wird. Er hat mich immer wieder überrascht und gerührt, und er sorgt auch für etwas bösen Humor, der der Geschichte meiner Meinung nach gut tut.

Obwohl immer die Liebe im Mittelpunkt der Geschichte steht - romantische Liebe, familiäre Liebe, freundschaftliche Liebe -, ist "Was ich dich träumen lasse" keine typische oder seichte Liebesgeschichte. Manchmal ist das Buch herzzerreißend romantisch, aber es ist immer zu bittersüß, um kitschig zu sein.

Der Schreibstil ist ungewöhnlich und eigen und einfach perfekt für dieses Buch. Elenas Gedanken in der Gegenwart vermischen sich mit Dialogen, die Rico und Elena in der Vergangenheit geführt haben, mit Gefühlen und Erinnerungen und dem ganzen emotionalen Chaos, das Elena durchlebt. Er trägt viel dazu bei, dass das Buch nie in Kitsch oder Pathos abdriftet.

Kontra:
Das Ende hat mich ein wenig enttäuscht. Nicht wegen dem, was am Schluss passiert oder nicht passiert (da will ich noch nichts verraten), sondern weil ich das Gefühl hatte, dass Elena einen Teil des emotionalen Wachstums, das sie im Laufe der Geschichte durchlebt hat, wieder wegwirft. Wobei ich noch nicht einmal begründen könnte, warum ich dieses Gefühl hatte - ganz objektiv betrachtet ist das Ende gut geschrieben, glaubwürdig und auf ganz eigene Art und Weise schön. Vielleicht habe ich einfach etwas anderes erwartet und mich zu sehr darauf versteift. (Und nein, damit meine ich nicht meine Erwartung, ob Rico aufwacht oder nicht!)

Zusammenfassung:
"Was ich dich träumen lasse" ist ein nachdenkliches Buch, ein trauriges Buch, ein überraschendes Buch... Eine Geschichte über die Liebe und das Leben, mit Ecken und Kanten und einer kratzbürstigen Protagonistin. Mich hat das Buch sehr berührt, und besonders der Schreibstil hat mich beeindruckt.