Rezension

Nicht, was ich erwartet hatte

Das Schmetterlingsmädchen - Laura Moriarty

Das Schmetterlingsmädchen
von Laura Moriarty

Bewertet mit 2.5 Sternen

Der Roman „Das Schmetterlingsmädchen“ von Laura Moriarty ist so ganz anders, als ich es anhand der Aufmachung der deutschen Ausgabe erwartet hatte. Auf dem Buchrücken wirbt der Verlag mit einer Geschichte über die „Stummfilmikone Louise Brooks“ in den Goldenen Zwanzigern und der Titel deutet ebenfalls auf sie hin. Das Gemälde auf dem Cover zeigt eine junge Frau, die stark der Beschreibung von Louise ähnelt.

Doch ehe die vermeintliche Hauptfigur Louise im Roman das erste Mal auftritt, schlägt sich der Leser viele Seiten lang mit der biederen amerikanischen Hausfrau Cora herum. Warum? Der Titel der englischen Ausgabe hätte es von Anfang an verraten. Im Original heißt der Roman nämlich schlicht „The Chaperone“, also die Anstandsdame. Das ist viel aussagekräftiger und treffender, denn genau dieses Wort beschreibt Cora – die wahre Hauptfigur des Romans.

Cora begleitet Louise als Anstandsdame nach New York City. Der Monat in der Metropole bedeutet eine Reise in die Zukunft für Louise und eine Reise in die Vergangenheit für Cora. Während Louise einen intensiven Tanzkurs besucht und den Grundstein für ihre Showbusiness-Karriere legt, erkundet Cora die Stadt. Dabei hat sie ein ganz bestimmtes Ziel: das Waisenhaus, in dem sie aufgewachsen ist, bevor ein Ehepaar aus Kansas sie adoptierte. Hier versucht Cora herauszufinden, wer ihre leiblichen Eltern sind. Dabei trifft sie einige interessante Menschen und erfährt mehr über ihre frühe Kindheit.

Die vermeintlich interessante Louise kommt im Roman nicht gut weg: Sie wirkt undankbar, arrogant und eher unsympathisch. Am Ende der gemeinsamen Wochen bricht Louise hoffnungsvoll in ihre scheinbar schillernde Zukunft auf, während Cora zu ihrer Familie nach Kansas zurückkehrt und dort den Rest ihres Lebens verbringt.

Wie dieser (lange) Rest nach der New York-Reise aussieht, schildert die Autorin im zähen letzten Drittel ihres Romans. Episodenhaft rasselt sie die Stationen von Coras Leben herunter, manchmal fertigt sie ganze Jahre in einem Nebensatz ab. Beim Lesen habe ich jegliche Verbindung zu den Charakteren verloren – Coras Leben rast förmlich am Leser vorbei, wirkliche Konflikte baut Laura Moriarty nicht mehr auf.

Weder Börsencrash noch Zweiter Weltkrieg haben großartige Auswirkungen auf Cora und ihre Familie. Geschehnisse, die auch nur entfernt Konflikt- oder Tragikpotential haben (einer von Coras Söhnen zieht beispielsweise freiwillig in den Krieg, obwohl er selbst schon eine Familie hat), werden auf der nächsten Seite aufgelöst und spielen keine Rolle mehr (Cora macht sich zwar kurz Sorgen, aber ihr Sohn kommt unverletzt zurück und alle sind glücklich). Coras und Louises Lebenswege kreuzen sich auch nach New York noch ein paar Mal. Leider werden auch diese Zusammentreffen kurz und knapp abgehandelt.

Diese wenig tiefgründige Erzählweise erschwert es sehr, das Interesse an der Handlung und den Charakteren aufrechtzuhalten. Coras Leben rauscht wie eine flüchtige Diashow vor meinem inneren Auge vorbei, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Der Leser erfährt eine Menge Fakten aus Coras Leben, aber die Emotionen bleiben dabei auf der Strecke.

Statt Coras ganzes Leben bis zu ihrem Tod abzuhandeln, hätte sich Laura Moriarty lieber auf zentrale Lebensabschnitte beschränken sollen. Während Coras und Louises Aufenthalts in NYC, den sie ausführlich schildert, hat sie durchaus fesselnde und bewegende Momente zu Papier gebracht. Letztendlich war „Das Schmetterlingsmädchen“ größtenteils angenehm zu lesen, jedoch hatte ich zu keiner Zeit das Bedürfnis, das Buch ohne Unterbrechung zu verschlingen.