Rezension

Nicht, was man erwartet

Night School 01. Du darfst keinem trauen - C. J. Daugherty

Night School 01. Du darfst keinem trauen
von C. J. Daugherty

Bewertet mit 3 Sternen

"Die Identität derjenigen, die auf die Night School gehen, muss geheim bleiben. Der Versuch diese Identität zu ermitteln ist strafbar. SÄMTLICHE Aktivitäten der Night School sind geheim. Mitglieder der Night School die Einzelheiten dieser Aktivitäten verbreiten, werden hart bestraft."
[“Night school 1“ // C.J. Daugherty // S.67]

Erster Satz:
"Beeil dich!"

Inhalt:
Die fünfzehnjährige Allie ist nicht gerade das, was man einen Vorzeigeteenie nennt: sie trinkt, besprayt nachts die Schulwände und wurde schon einmal festgenommen. Ihre Eltern wissen nicht mehr mit ihr umzugehen und schicken das junge Mädchen schließlich nach Cimmeria - einem Internet, von dem Allie nie zuvor etwas gehört hat. Schon bald, als sie auf dem Internat ankommt, merkt Allie, dass Cimmeria ein dunkles Geheimnis birgt. Nicht genug, dass jeder etwas vor ihr zu verheimlichen und vertuschen scheint, es geschehen auch merkwürdige Dinge auf dem Internatsgelände: leise Schritte, Knurren und... ein Mord. Verstrickt in ein Netz aus Geheimnissen, weiß Allie bald nicht mehr, was sie überhaupt noch glauben soll, schließlich ist da noch Carter, der unfreundliche und geheimnisvolle Junge, der ihr immer wieder einredet, das sie niemandem trauen dürfte. Doch auch Carter hat Geheimnisse und nur er kann Allie Antworten auf ihre unzähligen Fragen liefern...

Schreibstil:
Der Auftakt der Night School Reihe ist sehr simpel geschrieben und jugendlich gehalten. Vor derber Umgangssprache schreckt der Stil nicht zurück und so liest sich das Buch zwar lockerleicht weg, aber teilweise nicht unbedingt auf eine schöne Art und Weise. Dafür hat es atmosphärisch einiges zu bieten, denn wenn dieses Buch etwas wiederspiegelt, dann ist es die Internatsatmosphäre, die sich durch die ganze Geschichte zieht und eine heimelig-gemütliche Lesestimmung erzeugt. Literarisch definitiv keine Glanzleistung und auch nichts, was einem beim Lesen auf der Zunge zergeht, dafür aber unterhaltsam geschrieben und jugendlich-frisch gehalten.

Meine Meinung:
Nicht schon wieder eine Vampir-Internatsgeschichte, der in einer fünfteiligen Reihe ausartet! So oder so ähnlich sahen meine Gedanken aus, als ich das erste Mal etwas von der Night School gehört hatte, denn mal ehrlich, wer erträgt noch eine Liebesvampirgeschichte? Dass es in der Reihe um Allie, Carter und co. aber nicht einmal ansatzweise um Vampire oder Werwölfe geht - auch wenn man das auf den ersten Seiten vermuten könnte, hat mich positiv überrascht - ja, es war sogar einer der Gründe, warum ich der Reihe eine Chance geben möchte. Generell hat mich das ganze Konzept der Geschichte positiv überrascht, auch wenn es Szenen gibt die theatralischer und klischeebesetzter nicht sein könnten, aber "Night School: Du darfst keinem trauen" ist einfach etwas völlig anderes, als das, was ich immer erwartet hatte, zu bekommen und konnte mich, wenn auch nicht hundertprozentig überzeugen, eine Zeit lang sehr gut unterhalten - und (was fast noch mehr ins Gewicht fällt) vor ein ganz großes Rätsel stellen.

Warum das? Weil ich fast bis zum Ende nicht wusste, was es mit Cimmeria und der Night School auf sich hatte. Ich kam einfach nicht darauf. Seite um Seite wird die Lösung einfach nicht greifbarer, ständig tun sich neue Fragen und Rätsel auf und nach jedem Kapitelende weiß man nicht mehr, wem man trauen kann. "Night School" hat diesen ganz besonderen Paranoiafaktor, der dazu führt, dass man permanent hibbelig vor dem Buch sitzt und jeden ganz genau beobachten möchte, um endlich herauszufinden, was hinter den tausend Geheimnissen dieses Internats steckt. Dummerweise klärt sich bis zum Ende nicht alles, was dann wohl auch die vier Folgeteile erklären würde. Die Geschichte hat zwar durchaus viel Stoff und Potenzial, dennoch fällt es mir schwer, mir vorzustellen, was in den nächsten Bänden noch alles geschehen soll Was bei dem Buch aber besonders viel Spaß macht, ist die Internatsatmosphäre, die in mir ständig Kindheitsassoziationen ausgelöst hat und ich mich deswegen direkt in der Geschichte wohl fühlte.

"Wieso passiert das immer mir? Für kurze Zeit hatte sie gedacht, sie hätte einen Ort gefunden, wo sie einfach nur...sein konnte. Wo sie sicher war. Wo man sie mehr oder weniger akzeptierte. Aber es ist immer dasselbe. Alle wenden sich gegen mich, alle lassen mich im Stich."
[S.327]

Trotz allem Lob, blieb die Geschichte dennoch hinter meinen zugegeben ziemlich niedrigen Erwartungen zurück, denn so interessant die auch Idee ist, ebenso unoriginell umgesetzt ist sie. Die Auflösung der ganzen Aktion war am Ende doch ein wenig ernüchternd, wenn auch ein interessanter Gedanke. All das, was hinter den merkwürdigen Geschehnissen im Internat steckt, wird schließlich ziemlich schnell aufgeklärt und ist relativ unspektakulär nach den ganzen Dingen, die man sich im Laufe des Buches so zusammengereimt hat. Schlimmer finde ich aber den Umgang mit Mord und Gefahren, denn die Lehrer und die Schulleitung nehmen das alles ziemlich locker hin - als ein Schüler ermordet wird, wird das ziemlich schnell auf wenigen Seiten abgehandelt und ließ mich doch etwas schockiert und fragend zurück. Ob das alles womöglich noch eine tiefere Bedeutung hat, weiß ich nicht, bin aber gespannt es herauszufinden, denn "Du darfst keinem trauen" ist ein wirklich spannender Auftakt, der Spaß macht - trotz kleiner Schwächen.

Das gilt auch für die Protagonisten, allen voran für Allie, die nicht das typische Mauerblümchen ist und ziemlich geradeheraus zu sich steht. Daugherty hätte sich hier gerne noch mehr trauen dürfen und Allie ein bisschen rebellischer darstellen können, denn kaum ist Allie auf Cimmeria legt sie ihre schlechten Gewohnheiten komplett ab und ist plötzlich lernbesessen und nett. Das wirkt in der Entwicklung sehr unglaubwürdig und ist ein bisschen schade, weil man die Geschichte so noch eigenständiger hätte machen können. Die obligatorische Dreiecksgeschichte nervt nicht so sehr, wie erwartet und nimmt auch nicht einen allzu großen Platz ein, vor allen Dingen deshalb, weil es ohnehin von Anfang an klar ist, wie Allie sich entscheiden wird, dennoch hätte sie die Geschichte nicht unbedingt nötig gehabt. Viel spannender fand ich die Freundschaften, die Allie schließt und wie sich diese entwickeln. Ich kann mir gut vorstellen, dass da im Laufe der Reihe noch einiges auf den Leser (und natürlich auf Allie) zukommen wird.

Fazit:
Wer eine Internatsgeschichte frei von Fantasy und übernatürlichen Wesen sucht, sollte einen Blick auf die Night School Reihe werfen, denn auch, wenn der erste Teil nicht hundertprozentig zu überzeugenweiß, bringt die Reihe einigen frischen Wind mit sich und eine interessante Thematik, die noch Luft nach oben bietet. Von Anfang bis zum Ende wird der Leser dazu eingeladen mitzurätseln und zu raten, paranoid zu werden und beinahe durchzudrehen, weil man die Geheimnisse der Night School einfach nicht durchschauen kann - der Beititel des Buches ist hier wirklich Programm, denn man kann einfach niemandem wirklich trauen. Eine interessante Idee, die in der Umsetzung ein bisschen hinkt, eine tolle Internatsatmosphäre und sympathische Protagonisten - trotz einiger Schwächen unterhaltsam, spannend und geheimnisvoll.