Rezension

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Nicht weg und nicht da

Nicht weg und nicht da - Anne Freytag

Nicht weg und nicht da
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Zum Inhalt: Seit ihr Bruder starb, ist in Luises Leben nichts mehr so wie es war. Ihr ganzes Leben scheint seinen Sinn verloren zu haben. Am Tag der Beerdigung rasiert sie sich die Haare ab, lässt sich piercen und versucht, ein Leben ohne Kristopher zu führen. Was nicht geht.

Gleichzeitig mit dem Verlust ihrer Haarpracht, zieht Luise sich von allem zurück und errichtet eine Mauer um sich herum. Niemand scheint mehr an sie heranzukommen. Ihr Leben besteht aus Trauer und Vermissen.

Eines Tages begegnet ihr Jacob. Jacob ist von Luise fasziniert. Das stille Mädchen mit den unendlich traurigen Augen zieht ihn an. Aber Luise braucht Zeit, bis sie sich traut, Jacob an sich ranzulassen.

Als Luise am Morgen ihres 16. Geburtstags eine Email von ihrem toten Bruder erhält, wirft sie das aus der Bahn. Doch da ist Jacob, der ihr hilft, in ihrem neuen Leben ohne Kristopher wieder Fuß zu fassen und endlich sich selber zu finden….

Meine Meinung:

Eigentlich könnte ich sie ganz kurz zusammenfassen: LEST DIESES BUCH! ES IST FANTASTISCH!

Aber es ist nicht nur fantastisch und dann wäre diese Rezension auch viel zu kurz. Das Buch ist mehr. Es ist traurig. Es ist berührend. Es ist einfach wundervoll.

Danke, liebe Anne Freytag für diese wundervolle Geschichte! Danke, dass ich Luise und Jacob kennenlernen durfte und sie mich ein Stück weit begleitet haben – oder ich sie. Je nachdem.

Ich hatte in letzter Zeit oftmals eine Leseflaute. Mein Leben hat sich im letzten Jahr – wie auch das Leben von Luise um 180 Grad gedreht. Sich komplett geändert. Wenn auch aus anderen Gründen. Aber auch ich bin in dieses tiefe traurige Loch gefallen, in dem Luise sich nach dem Selbstmord ihres Bruders wiederfindet. Und so hat mich Luise schon auf den ersten Seiten mitten im Herz berührt. Ich hatte das Gefühl, verstanden zu werden. Luise zu verstehen. Schon da habe ich begonnen, die ersten Tränen zu vergießen. Und konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Luise und aus der Sicht von Jacob erzählt. Beide haben keine leichte Zeit hinter sich.

Luise ist so unfassbar traurig. So einsam. Ein Leben ohne Kristopher ist nicht vorstellbar. Anne Freytag gelingt es, Luises Gefühle in wunderbare Worte zu verpacken. Ich habe beim Lesen förmlich gespürt wie Luise fühlt. Wer sie ist. Was sie ausmacht.

Jacob ist leise. Nachdenklich. Ein ernster Charakter. Und ein begnadeter Koch. Von Luise ist er fasziniert und aus dem ersten gemeinsamen Nachmittag wächst eine leise, stille Verbindung.

Jacob ist es nicht gewohnt, wirklich Zeit mit einem Mädchen zu verbringen. Ein Mädchen an sich ran zu lassen. Doch mit Luise ist das anders. Luise gehört zu ihm. Das ist ihm fast sofort klar. Zwischen den beiden besteht eine Verbindung. Ob sie das wollen oder nicht. Doch bis sie Vertrauen fassen, bis sie sich eingestehen, dass sie zusammengehören, passieren eine Menge trauriger und wunderbarer Dinge. Luise schafft es, mit Hilfe von Jacob, sich selbst wiederzufinden – bzw. sich selbst neu zu finden. Ohne Kristopher.  Und sich von ihm zu verabschieden. Und Jacob schafft es, wirklich Vertrauen zu einem Menschen zu fassen.

Anne Freytag erzählt diese Geschichte in ihrer ganz eigenen Art. Ihr gelingt es, auf einfühlsame Weise den Leser die Trauer, den Zorn und die beginnende tiefe Verbindung spüren zu lassen. Tief im Herzen. Luises und Jacobs Gedanken und Gefühle sind authentisch erzählt, so dass man nicht mehr das Gefühl hat, ein unbeteiligter Zuschauer zu sein. Sondern ein Freund, der sie begleitet.

Die Geschichte hat eine wundervolle Sprache, sie ist mit Liebe zum Detail geschrieben. Und ich liebe sie schon jetzt. Und kann sie Euch nur empfehlen.

Natürlich mag ich Euch auch nicht meine Lieblingsstellen vorenthalten:

Jacob: „Sei einfach so, wie Du immer bist. Das macht Menschen glücklich.“ – Seite 195

Kristopher: „Ich glaube, irgendetwas bleibt. Und dieses Etwas von mir ist immer bei Dir. Und das wird es immer sein.“ – Seite 205

„They tried to bury us. They didn't know we were seeds“ – Mexikanisches Sprichwort – Seite 473

FAZIT: Ein Buch, das die Seele streichelt und das Herz berührt. Unbedingte Leseempfehlung.

Meine Rezension findet Ihr auch unter www.buchspinat.wordpress.com