Rezension

Nichts für schwache Nerven

Sie - Stephen King

Sie
von Stephen King

Paul erleidet einen Unfall, der ihn hilflos ausliefern wird. Doch bevor er wirklich realisieren kann, was genau passiert ist, sitzt er schon in Annies Haus und erlebt seinen größten Albtraum. Annie sperrt ihn ein und er hat keine Chance zu entkommen. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit und das einzige, was ihn jetzt noch am Leben halten kann, ist sein Roman. 

Ohne jegliches Vorwissen über Stephen Kings Art und Weise zu schreiben, fing ich das Buch an und wurde sofort ins Geschehen geworfen. Es gab keine lange Einleitung über Raum und Zeit. Stephen King lässt den Leser das Puzzle bewusst Stück für Stück zusammen setzen. Während andere Autoren langsam auf den Höhepunkt hin arbeiten, beginnt King sofort damit.
Das Interessante dabei ist, dass die Spannung bis fast zum Schluss erhalten bleibt. Der Leser befindet sich durchgehend auf dem gleichen Level der Anspannung und fiebert mit jedem Wort, dass Paul zu Papier bringt mit. Annie ist eine unberechenbare Frau und keine einzige Handlung in dieser Geschichte ist vorhersehbar.
Stephen King hat eine sehr brutale Schreibweise. Mich hat es so einige Male geschüttelt vor Ekel. Die Knochenbrüche waren teilweise so detailliert beschrieben, dass ich dachte, meine eigenen wären gebrochen. Die Geschichte geht ziemlich an die Substanz. King weiß ganz genau, wie er seine Leser erreicht und aufwühlt. 
An seinen Schreibstil muss man sich erst gewöhnen. Er verwendet sehr lange Schachtelsätze, bei denen einem schnell die Luft ausgeht. Manchmal sind die Sätze sogar etwas verwirrend, aber ich muss sagen, ich konnte mich schnell daran gewöhnen. 
Als Leser erhält man Einblicke in die Gedanken von Paul, dem Schriftsteller, was ebenfalls ein bisschen irritiert, da es nicht eindeutig gekennzeichnet ist. Dazu muss ich sagen, dass ich "Sie" als eBook gelesen habe und daher nicht beurteilen kann, ob es in der gedruckten Version eventuell eindeutiger dargestellt wird. 
Mein größter, aber auch einziger Kritikpunkt ist die Geschichte in der Geschichte. Paul schreibt für Annie, um zu überleben und Bruchstücke dieser Geschichte bekommt der Leser ebenfalls zu Gesicht. Das reißt einen aus dem eigentlichen Geschehen heraus und hat in meinen Augen wenig mit der Hauptstory zu tun. Daher verlor "Sie" zum Ende hin etwas die Spannung. Irgendwann habe ich diese Teile einfach übersprungen, weil es mich auch einfach nicht interessiert hat. 
Ich habe allerdings auch schon andere Meinungen darüber gehört. Da müsst ihr einfach für euch entscheiden, ob euch das zusagt. Ansonsten überspringt ihr es einfach, so wie ich. Das klappt auch ganz gut. 

"Sie" von Stephen King ist definitiv nichts für schwache Nerven, denn der Schreibstil ist sehr detailliert und erweckt Bilder im Kopf, die eher unangenehm sind. Brutalität und Ekel gibt es zur Genüge. Der Schreibstil von King lässt den Leser unruhig und dauerhaft angespannt werden. Die Spannung geht unter die Haut. Es gibt kaum actionreiche Szenen, was aber überhaupt nicht nötig ist, denn King kann auch mit wenig, viel Dramatik aufbauen. Insgesamt ist seine Art und Weise zu schreiben etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings war das auch mein erster Roman von King und dafür habe ich mich auch relativ schnell einlesen können. Ich persönlich hätte die Geschichte in der Geschichte (Mise en abyme?) nicht gebraucht und habe diesen Teil weitesgehend übersprungen. 
Alles in Allem ist "Sie" ein lesenswertes Buch für jeden Horrorfan, da es an die Substanz geht und tiefste Ängste im Leser weckt.