Rezension

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Nichts geschieht ohne Grund

Jeder Einzelne - Peter Märkert

Jeder Einzelne
von Peter Märkert

Bewertet mit 5 Sternen

Kurzbeschreibung: “Nichts geschieht ohne Grund. Weißt Du? Es ist immer ein Kreis, der sich schließt.”

Am frühen Sonntagmorgen treibt Christina Wieden leblos am Ufer der Ruhr. Todesursache: Eine Überdosis K.-o.-Tropfen. Die Kripo ermittelt, dass Christina am Tag zuvor mit ihrem Freund Marco eine Feier in Köln besuchte, die sie nach einem Eifersuchtsdrama um Mitternacht gemeinsam verließen. Bei der Durchsuchung von Marcos Wohnung wird das Fläschen mit K.-o.-Tropfen gefunden. Der Fall scheint klar. Der Richter verhängt Untersuchungshaft. Der Pflichtverteidiger verspricht eine milde Strafe, wenn Marco gesteht. Doch ist er wirklich der Täter …? (Quelle: Klappentext)

Rezension: Diese Frage wird bereit auf der ersten Seite ganz klar mit einem Nein beantwortet, denn hier ist man als Leser dabei, wie Christina bei einem männlichen Bekannten klingelt und ihn bittet, einen Anruf tätigen zu dürfen.

… “Ich habe mein Handy in Marcos Auto vergessen, brauche nur kurz anzurufen, dann bin wieder weg.” Er schließt die Tür hinter ihr, nimmt ihr die Lederjacke ab. “Wo ist Marco! Hattet ihr Stress!” “Das ist es ja! Er hat sich auf der Feier bei seiner Schwester an eine andere herangemacht. Ich wollte nach Hause, aber meine Eltern sind nicht da. Hätte ich bloß meine Schlüssel mitgenommen. Hab das Gefühl, heute Nacht hat sich alles gegen mich verschworen! … (Quelle: “Jeder Einzelne”, Seite 9)

Bereits mit diesen wenigen Zeilen gelingt es dem Autor Peter Märkert, der übrigens u.a. auch im Strafvollzug tätig war,  den Leser in seinen Bann zu ziehen. Kurze, prägnante Sätze, der ständige Wechsel zwischen den Perspektiven – Ich-Perspektive bei Marco und Erzählform bei den anderen Akteuren – erzeugen eine einzigartige Spannung und verhindern, das man das Buch aus der Hand legen kann. Hinzu kommt die überaus realistische Umsetzung, die wie aus dem Leben gegriffen wirkt. Hier ist nichts geschönt oder gekünstelt, obwohl man sich das z.B. bei der beschriebenen Arbeit des Pflichtverteidigers wünscht …

… Ein Herr mit Seitenscheitel um die vierzig Jahre, Anzug, Weste und einem weißen Schlips stellt sich als Rechtsanwalt vor. Entschuldigt sich, das er ich warten ließ. Äußert zuversichtlich, ein mildes Urteil vor Gericht zu erzielen, wenn ich die Tat gestehe. … (Quelle: “Jeder Einzelne”, Seite 68)

… Mein eigener Anwalt! Rechnet mit einer Strafe von zehn bis fünfzehn Jahren oder sogar lebenslänglich, wenn ich nicht klein beigebe und eine Tat gestehe, die ich nicht begangen habe. … (Quelle: “Jeder Einzelne”, Seite 69)

Ein Glück, das Lena, das Mädchen, welches er auf der Party in Köln kennengelernt hat und seine Schwester alles versuchen, um seine Unschuld zu beweisen. Sie machen sich auf, den wahren Täter zu finden. Ein Glück, das der neu beauftrage Anwalt diese Ansätze weiter verfolgt und seinem Mandanten glaubt. Denn damit ist er unter den Juristen immer noch der Einzige:

“Lassen Sie es mich in aller Ruhe erklären”, meint Dr. Baum. “Ich möchte keine Hoffnung säen, die sich nicht erfüllt. Das Gericht ist von Ihrer Schuld überzeugt.” … “Was hat der Richter gegen mich?” frage ich. … “Er hoffte, mit dem Kollegen eine Absprache treffen zu können. Sie liefern ein umfangreiches Geständnis. Er erklärt sich im Gegenzug zu einem milden Urteil bereit. Nun ist er enttäuscht.” … (Quelle: “Jeder Einzelne”, Seite 111)

Und das soll auch bis zum Ende der Hauptverhandlung so bleiben. Erst in dieser wird der Täter – der dem Leser übrigens schon seit geraumer Zeit bekannt ist – durch einen Brief entlarvt und überführt. Aufatmen! Endlich! Denn bis zum Schluss weiß man nicht, ob man die Schuld des einen und damit die Unschuld des anderen beweisen kann. Der Spannungsbogen wird bis zum Schluss sehr, sehr hoch gehalten.

Fazit: Ein deutscher Autor schreibt einen Krimi ohne Mord und Totschlag, der sich weder hinter den Büchern einer Mary Clark Higgins oder eines McFadyen verstecken muss. Einen Krimi, in dem Themen wie sexueller Missbrauch, Drogensucht und nicht verarbeitete Schuldgefühle eine große Rolle spielen. Einen Krimi, der für spannende Stunden sorgt und einen erwartungsfroh auf das nächste Buch des Autors hoffen läßt. Einen Krimi, der ganz einfach 5/5 Sternen verdient hat und absolut empfehlenswert ist.