Rezension

Nichts ist so, wie es scheint

Kaltherz -

Kaltherz
von Henri Faber

Bewertet mit 5 Sternen

Zum Inhalt:
Vor viereinhalb Monaten ist die kleine Marie verschwunden. Der blonde Engel ist die Tochter von Clara und Jakob Lipmann und erst fünf Jahre alt. Die Familie lebt in einem renovierten Bauernhaus in Bogenhausen. Denn Jakob verdient gut als Senior Manager bei ComCoin, einem Payment Dienstleister.
Marie wurde auf einem Ausflug mit ihrer Mutter zum Feringasee entführt. Dabei hat Clara sie nur für wenige Minuten allein im Auto gelassen, als sie schlimme Bauchkrämpfe hatte und auf die Toilette musste. Verdächtigt wird Maries Kindermädchen Melina Katsaounis, da sie am gleichen Tag verschwunden ist. Doch von Marie und Melina fehlt seit Monaten jede Spur. Auch gab es keine Lösegeldforderung.
Die Entführung von Marie ist der erste Fall von Kommissarin Kim Lansky Fall in der Vermisstenabteilung. Lanskys Vorgänger Krüger hatte einen Herzinfarkt. Und nach Lanskys Ausrastern hat sich ihr alter Freund Theo Rizzi, der die Abteilung leitet, für ihre Versetzung stark gemacht. Nun drängt die Zeit. Denn Maries Mutter Clara liegt nach einem Selbstmordversuch im Klinikum Bogenhausen. Mit Tabletten und Wein. Und Lansky zweifelt nicht daran, dass Clara es wieder versuchen wird.

Meine Meinung:
In Kaltherz war ich ganz nah dran an Lansky, Clara, Jakob und Marie. Denn der Thriller beschreibt im Wechsel ihre Gedanken. Ihre Ängste, Sorgen, Entscheidungen. Dabei ist die Denke so anders. Maries Sprache ist kindlich. Jakob feuert sich mit Motivationsslogans an. In 30 Sekunden im Aufzug bei ComCoin. Geh deinen Weg, sei der Jakob Lipmann, der alles schaffen kann. Clara steckt in ihrer unsicheren Opferrolle. Und Lansky ist so wütend. Immer kurz vorm Zuschlagen. Ein jeder Abschnitt hat links oben den Namen der Person. Also Lanksy, Clara, Jakob oder Marie. Und rechts oben stehen Datum und Uhrzeit. So konnte ich gut folgen.
Unterhaltungen, Streit, Befragungen sind mal in den Gedanken von Lansky, Clara oder Jakob beschrieben. Auch wechselt das schon mal mitten im Gespräch. So wusste ich, wie Lansky über Clara und Jakob urteilt. Als Lansky Clara im Krankenhaus sieht, will sie ihr sofort helfen. Aber Jakob ist nach dem Erstkontakt ein Kotzbrocken für sie. Auch merkt Jakob, dass Lansky ihn nicht leiden kann.
Erst gehen die Ermittlungen eher schleppend voran. Da Lansky den Fall übernommen hat, muss sie sich quer einlesen. Und es dauert, bis sie ihren ersten handfesten Hinweis findet. Da haben die ständigen Wechsel zwischen Lansky, Marie, Clara und Jakob gut getan. Die haben sich für mich spannend gelesen.
Ein Schmankerl ist die Nebenhandlung um ComCoin. Das ist der Payment Dienstleister, bei dem Jakob arbeitet. Der hat große Parallelen zu Wirecard. So will der Wirtschaftsprüfer ComCoin erst das Testat verweigern. Denn für manche Gelder gibt es keine Erklärung. Weder Kontoauszüge noch Belege.

Mein Fazit:
Kaltherz fand ich von der ersten Seite bis zum Ende super spannend. Und auf den Punkt erzählt. Mehr als nur ein Twist konnte mich überraschen. Erst kurz davor habe ich eine Wendung kommen sehen. Die alles auf den Kopf gestellt hat. Oder auch gar nicht.
Auch mochte ich Lansky. Die Polizistin, die im Ghetto groß wurde, ist originell und anders. Eine Einzelgängerin. Um Etikette, Gesetze oder ihre Kollegen schert sie sich nicht. Es zählt nur das Opfer. Lansky ist hart im Nehmen und benutzt gerne ihre Fäuste (oder ihre rechte / linke Schulter). Auf dem Weg zur Gerechtigkeit. Zielstrebig folgt sie ihrem eigenen moralischen Kompass. So wie Harry Bosch in den Krimis von Michael Connelly. Und Faber vollbringt die Glanzleistung diesen Typ, der eher Männern vorbehalten war, glaubwürdig in einer Polizistin zu personifizieren. Die morgens ihre angeschlagene Schulter eine Stunde lang tapet, statt sich mit Makeup oder ihrer Frisur aufzuhalten.