Rezension

Nichts war mehr wie früher, und alles war die Schuld dieser Frau!

Die Ehe der Barbara Körner
von Christina Auerswald

Nichts war mehr wie früher, und alles war die Schuld dieser Frau!

Barbara, die älteste Tochter des reichen Papiermüllers aus Wissfeld an der Brieg ist zutiefst empört. Nachdem Hans Georg Körners Ehefrau Lindel Weinachten 1697 starb, entschloss sich der frisch gebackene Witwer bereits kurze Zeit später, eine neue Ehe einzugehen. Hermine Bertel ist eine Schönheit mit tiefgrünen Augen und einer blonden Lockenpracht, ihre Anmut, ihre graziösen Bewegungen und ihr Liebreiz entflammten Barbaras Vater auf den allerersten Blick. Diese Heirat mit einer jungen Frau, die kaum älter war als sie selbst, entzweite Vater und Tochter. Es kommt vermehrt zu Konfrontationen, und als Barbara eine arrangierte Ehe mit dem Sohn eines Kölner Verlagsinhabers boykottiert, eskaliert die Situation. Hans Georg greift zu einer drastischen Maßnahme, die für alle Beteiligten tragische Folgen hat.

Christina Auerswald hat mich mit dieser Geschichte um die junge Papiermüllerstochter Barbara vom ersten Moment an voll und ganz in ihren Bann gezogen. In einem unvergleichlich schönen Schreibstil und einer gewählten Sprache, die zu lesen einen wahren Genuss darstellt, zeichnet sie ein Bild der Familie Körner und ihres Umfelds. Man lernt Hans Georg, seine Ehefrau Lindel und ihre fünf Kinder kennen, doch die hochschwangere Lindel und ihr sechstes Kind sterben bei der Geburt. In einfühlsamen Worten erzählt die Autorin von der unsäglichen Trauer der ältesten Tochter Barbara sowie ihrem Stolz und Trotz, die letztendlich deren weiteres Schicksal beeinflussen. Christina Auerswalds erstklassige Charakterzeichnung ihrer handelnden Figuren hat mich tief beeindruckt. Sie verleiht sowohl Protagonisten, als auch Nebenfiguren eine unglaubliche Tiefe, ihre Darstellung fiel facettenreich und in hohem Maße authentisch aus. Man kann nicht umhin, sich in diesem Buch zu verlieren, die Figuren der Handlung auf ihrem Weg zu begleiten, mit ihnen zu hoffen und zu bangen. Eine tiefe Fülle von Emotionen begleitete mich als Leser dieses Buches, und ich bedauerte es zutiefst, mich nach der letzten Seite wieder von ihnen verabschieden zu müssen. Die Autorin liefert keine Schwarz-Weiß-Zeichnung, sie erzeugt vielmehr Verständnis für das Denken und Handeln der verschiedenen Personen. So fühlt man mit der Protagonistin Barbara, nachdem ihre Mutter starb und sie innerhalb kürzester Zeit mit ihrer neuen Stiefmutter konfrontiert wurde. Doch nach und nach treten die guten Charaktereigenschaften dieser jungen, bildschönen Frau aus vornehmer Familie zutage, und ich konnte mich einer emotionalen Einbeziehung nicht mehr widersetzen. Obgleich Hans Georg Körner durch seinen Mangel an Takt und Feingefühl großen Schaden anrichtet, vermittelt die Autorin auch dessen guten Eigenschaften und ein Verständnis für die im Grunde wohlmeinenden Motive seines Handelns. Als männlicher Protagonist fungiert Valentin Martin Körner, im Buch stets „Velten“ genannt. Als Lumpensammler zählt er zu den Ärmsten der Armen in Wissfeld. Ein dunkler Fleck in der Vergangenheit belastet den fleißigen und wortkargen jungen Mann, doch er trägt sein hartes Schicksal ohne zu Klagen. Nachdem Hans Georg Körner ihm ein unwiderstehliches Angebot unterbreitet, scheint aus Veltens größter Traum von einem Leben in der Neuen Welt ein erreichbares Ziel zu werden. Durch Ruprecht Wildkatz, den talentierten Verlegersohn mit dem unattraktiven Äußeren, Veltens unglücklichen Vater Martin Körner und den freundlichen Pfarrer Gunter Hammer wird die Handlung in Form interessanter Nebenfiguren bereichert. Mein unangefochtener Favorit war und ist jedoch Albrecht Langen. Als uneheliches Kind einer jungen Frau, die knapp vor der Geburt schwerste Misshandlungen erleiden musste, kam Albrecht stark verunstaltet zur Welt. Der wortkarge und verwachsene Mann mit dem verschobenen Gesicht, der sich nur mittels Grunzlaute zu verständigen vermag, wird geschmäht, verspottet und gemieden. Einzig Barbara sieht in ihm einen in seinem missgestalteten Körper gefangenen mitfühlenden und warmherzigen Menschen. Albrecht ist Barbaras liebevoller und einziger Freund, den sie wie einen großen Bruder liebt und der ihr durch seine stummen freundschaftlichen Umarmungen Trost schenkt. Albrechts Intelligenz äußerst sich in seiner hervorragenden Arbeit in der Papiermühle und seiner Kunstfertigkeit im Lesen und Schreiben, die besonders Pfarrer Hammes bei den Eintragungen in seinen Büchern zugutekommt. Als böser Antagonist dieses Buches fungiert Hans Georgs streitsüchtiger Bruder Heinrich, der nach einer über zwanzig Jahre währenden Fehde wieder in die Familie aufgenommen wird.

Fazit: „Die Ehe der Barbara Körner“ stellte für mich ein außergewöhnlich schönes Leseerlebnis dar. Dieser Roman hat meinem Lesegeschmack in jeglicher Hinsicht entsprochen und alle meine Erwartungen weit übertroffen. Ich empfand sowohl die wunderschöne Sprache, als auch die interessante Handlung und das spannungsgeladene Finale, mit dem ich im Grunde nicht gerechnet hatte, als reinen Lesegenuss. Durch die hervorragende Charakterzeichnung der handelnden Figuren vervollständigte sich mein grandioser Leseeindruck und ich darf ruhigen Gewissens behaupten, dass „Die Ehe der Barbara Körner“ ein herausragendes Lese-Highlight für mich darstellt. Ich kann es kaum erwarten mich in den Nachfolgeband zu vertiefen und die Geschicke der Barbara Körner weiter zu verfolgen.

Fünf Bewertungssterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses fantastische Buch!