Rezension

Nichts zu lachen

Bis wieder einer weint - Eva Sichelschmidt

Bis wieder einer weint
von Eva Sichelschmidt

Meine Großmutter mochte es nicht, wenn wir albern waren und laut lachten. Giggeln nannte sie das. Übermut tut selten gut. "Bis wieder einer weint."

Viel Grund zum Lachen gibt es eigentlich gar nicht, denn in dieser Familie geht so ziemlich alles schief. Dabei hat es doch so gut angefangen: Wilhelm und Inga sind ein Traumpaar, als sie heiraten - Wilhelm hat viel Geld, eine Firma, ist erfolgreicher Dressurreiter und kommt bei den Frauen gut an; Inga ist Arzttochter, blutjung und so schön wie Grace Kelly. Aber die Ehe hat sie sich anders vorgestellt, und als Wilhelm das erste Kind, Asta, für sich vereinnahmt, will sie unbedingt noch ein zweites, das auf jeden Fall ein Mamikind werden soll. Doch schon kurz nach der Geburt stellt sich heraus, dass Inga todkrank ist, und sie stirbt, als das zweite Mädchen noch nicht ganz zehn Monate alt ist.

Dieses zweite Mädchen erzählt seine Erinnerungen: Vom Begräbnis der Mutter, dem Aufwachsen bei den Großeltern, den Dramen im Kindergarten, und dann schließlich von dem großen Einschnitt: Zur Einschulung holt der Vater sie wieder zu sich und sie lebt bei ihm und ihrer älteren Schwester, die ihr beide recht fremd sind. Das kann ja nicht gutgehen... In Einschüben wird die Geschichte von Inga erzählt, und so verfolgen wir zwei Generationen, beginnend nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 80er-Jahre. 

Der Abstieg einer Unternehmerfamilie; da denke ich gleich an die Buddenbrooks. Bei Thomas Mann kann der Leser die unterschiedlichen Charaktere in der Familie entdecken und ihren immer weiter fortschreitenden Abstand von der Bodenständigkeit bis hin zur Hypersensibilität und Lebensuntüchtigkeit. Das bietet Sicherschmidt nicht. Ihr Roman ist solide; er bringt auch viel Einblick in die Lebensumstände der jungen BRD und in die Verdrängung der jüngsten Vergangenheit. Die Charakterisierung von Susanne (heißt sie so? Wir lesen nur, dass die Großmutter sie manchmal "Susekind" nennt) ist glaubhaft, und ich kann ihre Verweigerungen gut nachvollziehen. Dabei scheinen einige Lebenssituationen Parallelen zur Biographie der Autorin aufzuweisen. Die anderen Personen bleiben mir jedoch eher fern. Die Detailfülle finde ich teils etwas überbordend. 

Alles in allem: Ein Familienroman, jüngere deutsche Geschichte, nicht so flach wie viele der zurzeit so häufig erscheinenden, aber leider auch nicht so tiefgründig wie die Aufnahme auf die Nominierungsliste zum Deutschen Buchpreis 2020 erhoffen lässt.