Rezension

Nichts zu verlieren

Wilde Freude
von Sorj Chalandon

Bewertet mit 5 Sternen

Was für ein Buch, was für eine Geschichte, was für ein Schreibstil! Wilde Freude bei mir, aber man muss sich als Leser darauf einlassen!

Als hätte die Buchhändlerin Jeanne nicht schon genug verloren – ihren Sohn, die Liebe zu ihrem Mann Matt, nein, nun hat sie auch die Diagnose Brustkrebs erhalten. Eine Welt bricht für sie zusammen, auch, dass ihr Mann Matt „dies nicht nochmals mitmachen kann“ und sich entfernt. Bei der Chemotherapie lernt Jeanne Brigitte, Assia und Mélody kennen. Für die 4 Frauen, die alle gegen den Krebs kämpfen, beginnt eine zerbrechliche Freundschaft die damit endet dass diese 4 Frauen einen Raubüberfall planen…denn eine von ihnen braucht dringend sehr viel Geld…und was haben sie schon zu verlieren?

„Ich fragte mich, was nach diesem Etwas käme. Etwas i meiner linken Brust. Ich dachte an den Tod. Der Satz hämmerte in meinem Kopf. Ich hörte auf zu atmen. Etwas.“(Seite 13)

Was für ein schönes, bewegendes, Mut machendes und starkes Buch über 4 starke Frauen.

Der Schreibstil des Autors ist ein Gedicht und ich bin schlichtweg begeistert von ihm.  Er ist direkt, er ist oft hart mit der nun mal vorhandenen Realität, er gibt jeder Protagonistin in diesem Buch eine eigene Tiefe, er beschreibt die Umstände so gekonnt und doch feinfühlig, er rührt zu Tränen und will doch keinerlei Mitleid, denn diese 4 Frauen wollen es ebenso wenig.

Jeanne ist die  Hauptperson in diesem Buch und sie ist vom Leben gezeichnet. Nicht nur dass ihr Mann Matt der Mittelpunkt ihrer Ehe ist, nein! Auch ihr Sohn Jules wurde jung krank und verstarb als er noch keine 10 Jahre alt war. Das hat die Ehe von Jeanne und Matt schon an den Rand von allem gebracht und nun hat Jeanne die Diagnose Brustkrebs erhalten.

Alleine die Wandlung von Jeanne fand ich bemerkenswert und unglaublich in ihrem Gesamtbild. Sie ist eher die Zurückhaltende, sie ermöglicht ihrem Mann seinen ganzen Freiraum der auch ihren stark eingrenzt, sie ist immer höflich, verhält sich ruhig und wagt nicht auszubrechen.  Und dann die Umgebung die von Jeanne ihrer Erkrankung erfährt, diese Vorsicht der Leute, aber auch  dieser hohe Geltungsbedarf von diesen anderen Mitmenschen und was es in Jeanne auslöst. Und ja, ich konnte sie verstehen, denn irgendwann ist das Maß voll.

Die 3 anderen Frauen, Brigitte, Assia und Mélody sind ebenso gut dargestellt, der Autor nimmt sich ihrer an und jede Frau erhält ein kleines Kapitel was ihnen im Leben widerfahren ist und man merkt wie sich gewisse Punkte stark überschneiden. Es ist nicht „nur“ der Krebs der die Frauen zusammenschweisst, es ist mehr. Und das lassen sie sich nicht nehmen, sie wollen trotzdem leben, lachen, laut sein und als das anerkannt werden was sie nun mal sind, ohne Mitleid, ohne Vorzüge oder ähnlichem.

Da eine Protagonistin die Hilfe der Mädels braucht wird ein Raubüberfall geplant, dieser lässt auch etwas Spannung aufkommen und mit fiebern. Ja, natürlich mag das hier und da übertrieben sein, vielleicht überspitzt, aber doch was es  nun mal spannend, unterhaltsam und nachvollziehbar.

Die ein oder andere Wendung kommt noch zum Ende hinzu, der Autor stülpt auch hier nochmal das Gesamtbild der Frauen, aber auch das des Lesers um und lässt einen überrascht nach Luft schnappen und die Frage bleibt – wie hätte ich gehandelt? Was wäre für mich vorrangig? Lohnt sich aufregen oder ähnliches überhaupt?

Ein Buch was mich schlichtweg, in seinem Gesamtkonzept, begeistert hat! Es ist etwas anderes, es ist ja, wild Freude, für die Leser, die dies zulassen wollen.