Rezension

Nie mehr (oder doch nicht)

Lapvona -

Lapvona
von Ottessa Moshfegh

Bewertet mit 3 Sternen

Die Sache ist die: Die Bücher von Ottessa Moshfegh schaffen es jedes Mal wieder eine merkwürdige Faszination bei mir auszulösen. Wenn ich sie sehe, will ich sie haben und lesen. Aber wenn ich sie habe, dann schaffe ich es kaum sie zu lesen, weil ich mich so ekele.

Lapvona ist ein Dorf in einer mittelalterlichen Welt. Der junge Marek ist missgebildet durch die Abtreibungsversuche seiner Mutter und lebt mit seinem Vater am Rande des Dorfs. Die beiden sind bitter arm. Das Dorf Lapvona wird beherrscht von Villiam, einem adeligen Mann, der mit seiner Familie im Überfluss schwelgt und der die Dorfbewohner schamlos ausbeutet. Eines Tages tötet Marek Villiams Sohn. Doch anstatt den Jungen zu bestrafen, lässt er ihn bei sich auf dem Schloss wohnen und behandelt ihn von da an, als gehöre er zur Familie.

Es könnte so schön sein, so spannend, so düster, so gruselig. Und das ist es auch. Ich habe einmal einen Artikel gelesen, in dem Ottessa Moshfegh als die bedeutendste US-amerikanische Autorin der Gegenwart bezeichnet wurde, die sich mit den Abgründen im Wesen der Menschlichkeit auseinandersetzt. Ich glaube, in dieser Aussage steckt viel Richtiges. Moshfegh macht mit ihrer Literatur all das sichtbar, was da ist, was überall um uns herum existiert, aber immer im Verborgenen bleibt. Sie nimmt es und holt es an die Oberfläche. Dann verdichtet und potenziert sie es, bis man es nicht mehr aushalten kann. 

Das soll heißen: Bis ich es nicht mehr aushalten kann. Es fällt mir schwer, Lapvona neutral zu bewerten, weil die Szenen und Themen, die geschildert werden, so widerlich und grausam sind, dass mir manchmal schlecht davon wird. Wer das Buch lesen möchte und entsprechend empfindlich ist, sollte sich um Triggerwarnungen bemühen. Nichtsdestotrotz sind sowohl die Geschichte als auch Moshfeghs Schreibstil sehr einnehmend. Sie schafft es Bilder vor dem Auge des Lesers entstehen zu lassen. Es fühlt sich an, als wäre man live dabei, als müsste man miterleben, was sich da abspielt. Ein stummer Zeuge all dieser Abscheulichkeiten. 

Moshfegh bedient sich inhaltlich an Motiven, die aus zahlreichen Märchen bekannt sind. Da ist die Hexe mit ihrer Hütte im Wald. Da sind die Geißlein und der Wolf. Da ist der böse König. Dabei betont sie vor allem das Dunkle und Grauenvolle in diesen Erzählungen. 

Das Buch hat mir nicht gefallen und trotzdem ist es kein schlechtes Buch. Vielleicht sogar ein sehr gutes Buch. Eines, das mich nicht recht loslassen wollte, zu dem ich immer wieder gegriffen habe, obwohl ich es unerträglich fand. Man muss der Autorin zu Gute halten, wie konsequent und unerschrocken sie ihre Literatur erschafft. Fast kommt es mir vor wie ein ganz eigenes Genre. Werde ich ein weiteres Buch von ihr lesen? Aus heutiger Sicht sage ich nein. Aber tbh: Ich kann es nicht versprechen.