Rezension

Niedlich, aber auch naiv-nervig

Mein Herz zwischen den Zeilen - Jodi Picoult, Samantha van Leer

Mein Herz zwischen den Zeilen
von Jodi Picoult Samantha van Leer

Bewertet mit 2.5 Sternen

Oliver klettert noch immer die glatte Felswand empor. Aber der Dolch steckt nicht mehr zwischen seinen Zähnen, sondern in seiner rechten Hand. Mit der Spitze der Stahlklinge ritzt Oliver eine feine, weiße Linie in den dunklen Granit, dann noch eine und noch eine. 
H
Ich reibe mir die Augen. Das hier ist kein Nook, kein Kindle Fire oder iPad, nur ein ganz gewöhnliches altes Buch. Ohne Animation, ohne Schnickschnack. Tief einatmend berühre ich das Papier genau an dieser Stelle und hebe den Finger wieder.
Langsam entstehen zwei Worte auf der Oberfläche des Felsens.
HILF MIR.

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INHALT:
Delilah McPhee ist eine Außenseiterin, die ihre gesamte Zeit damit verbringt, ein altes Märchenbuch zu lesen, das sie total fasziniert - und dabei ist es ihr egal, dass es für Kinder geschrieben wurde, denn Oliver, der Held der Geschichte, hat es ihr angetan. Und eines Tages traut sie ihren Augen nicht, denn das Buch verändert sich und Oliver spricht zu ihr! Sie ist die Einzige, die ihn hören kann und damit auch die Einzige, die ihm seinen größten Wunsch erfüllen kann: Ihn aus dem Märchen herauszuholen...

MEINE MEINUNG:
Jodi Picoult hat sich für ihren neusten Roman "Mein Herz zwischen den Zeilen", der sich an Kinder und Jugendliche richtet, Unterstützung bei ihrer Tochter Samantha van Leer geholt. Das mag auch der Grund dafür sein, dass das Werk sehr jung und zwischenzeitlich unausgereift wirkt. Der Schreibstil ist so oder so aber sehr angenehm und flüssig zu lesen, sodass man schnell in die Geschichte hineinfindet.

Protagonistin Delilah ist recht niedlich und sympathisch, in ihrer Naivität und Besessenheit aber auch zwischenzeitlich sehr, sehr nervig. Sobald Oliver mit ihr spricht, vergisst sie schlichtweg alles um sich herum und benimmt sich nicht einmal mehr in Gegenwart anderer Menschen normal, was ich wenig verstehen konnte. Ihr Traumprinz Oliver war mir dafür ganz einfach zu langweilig - er ist freundlich, manchmal etwas arrogant, gutaussehend und liebevoll. Schon nach kurzer Zeit hatte ich ihn über, und muss ihm so schnell auch nicht wiederbegegnen, egal, welch witzige Sprüche er manchmal auch auf Lager hatte. Die übrigen Figuren kommen wenig vor und nehmen auch nur einen geringen Raum ein, weswegen sie überwiegend sehr blass bleiben. Gefallen hat mir jedoch, dass sich die Charaktere des Märchens in der Zeit, in der sie ihre Rollen nicht spielen, ganz anders verhalten.

Das gesamte Buch hat nur 288 Seiten, und das merkt man ihm auch an. Viele Entwicklungen gehen zu schnell und werden mit wenigen Sätzen abgehandelt - wie beispielsweise die Liebe zwischen Oliver und Delilah, die wie aus dem Nichts entsteht, oder auch die innerhalb von wenigen Sekunden und aufgrund eines Spiels geschlossene Freundschaft zwischen der Hauptfigur und dem Jungen Edgar. Trotz der Kürze haben sich dann jedoch wiederum einige Längen eingeschlichen - denn es wird nicht nur von Delilahs und Olivers Versuchen berichtet, ihn aus der Geschichte zu holen, auch das Märchen wird ausführlich immer wieder eingeschoben, obwohl es in der Handlung gar keinen wirklichen Zweck hat; vor allem auch, weil viele Ereignisse schon in vorhergegangenen Gespräche vorweg genommen wurden. Abgesehen davon ist das Märchen viel zu modern und detailreich verfasst, um noch überzeugend zu sein.

Nichtsdestotrotz: Die Idee ist kreativ, originell und schön, denn wer hat sich nicht das ein oder andere Mal vorgestellt, eine Figur sei real? Auch die verschiedenen Lösungswege, die präsentiert werden, sind interessant und lassen das Ganze durchaus immer mal wieder sehr spannend werden. Nur der oft auftauchende Kitsch ließ mich des Öfteren die Augen verdrehen, und einige Ungereimtheiten [wie dass Oliver Schach kennt, aber keine Schule] hätten ausgemerzt werden können. Letztendlich ist auch die Lösung recht gut gelungen, meiner Meinung nach aber moralisch so nicht komplett vertretbar, da man sich doch immer wieder an die definitiv auftauchenden Folgen erinnert, die sicherlich nicht ganz ohne sind.

FAZIT:
"Mein Herz zwischen den Zeilen" hat Jodi Picoult in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter geschrieben, weswegen es auch sehr kindlich und zwischenzeitlich unausgereift daherkommt. Es besitzt eine geniale Idee, keine Frage, die Umsetzung ist aufgrund der aufgezählten Mängel aber weniger als mäßig. Mehr Seiten für die Charakterentwicklung und eine geringere Konzentration auf das Märchen hätten dem Werk gut getan. 2,5 Punkte von mir.

Kommentare

Goldstück90 kommentierte am 05. November 2013 um 21:00

Oh das klingt ja jetzt nicht so toll...hm ich liebe ja die Bücher von Jodi Picoult, mal gucken ob ich mir dieses noch zuleg oder nicht.