Rezension

„Nigdy się nie poddamy“ – wir geben nicht auf!

Hannah und ihre Brüder - Ronald H. Balson

Hannah und ihre Brüder
von Ronald H. Balson

„Nigdy się nie poddamy“ – wir geben nicht auf!

„Es geht um Bens Familie und das, was Otto Piontek ihr angetan hat. Es geht um Verrat.“

Der dreiundachtzigjährige Benjamin Solomon ist felsenfest davon überzeugt, dass es sich bei dem angesehenen Mitglied der Chicagoer Gesellschaft namens Elliot Rosenzweig in Wirklichkeit um Otto Piontek handelt, der ihm in Kindheitstagen Ziehbruder und bester Freund war. Der bescheidene und unbescholtene Rentner bezichtigt den Multimillionär in aller Öffentlichkeit unter vorgehaltener Waffe seiner ungesühnten NS-Verbrechen während seiner Funktion als Hauptscharführer im Deutschen Reich. Rosenzweig schickt Anwälte und Privatdetektive ins Rennen, um den alten Mann unglaubwürdig zu machen und ihn zu einem öffentlichen Widerruf zu zwingen. Ben Solomon bittet die Anwältin Catherine Lockhart, seinen Fall zu übernehmen erzählt ihr die Geschichte seines Lebens. Wird es ihr gemeinsam mit dem privaten Ermittler und besten Freund Liam Taggart gelingen, ausreichende Beweise gegen Rosenzweig zu sammeln, oder basiert die Überzeugung des alten polnischen Juden nur auf einer starken Ähnlichkeit und einer Verwechslung? Gemeinsam mit Ben tauchen Catherine und Liam tief in die Vergangenheit ein und erfahren mit zunehmender Betroffenheit das tragische Schicksal der Familie Solomon.

Ronald H. Balsons Geschichte beginnt mit Ben Solomons Tag der Abrechnung, an dem er Elliot Rosenzweig seiner Taten bezichtigt. Dessen Reaktion, die Nachforschungen und Aktivitäten der Anwälte sowie die Geschichte von Catherine Lockhart stellen die Handlung in der Gegenwart dar. Der Fokus dieses Buches ist jedoch vorwiegend auf die Vergangenheit gerichtet, in welche der Leser durch Bens Berichte laufend zurückgeführt wird. Der alte Mann aus der südöstlich gelegenen polnischen Stadt Zamość berichtet von einem liebevollen Elternhaus und der gemeinsamen Zeit mit Otto Piontek, die sie zu Brüdern machte. Er beschreibt, wie er Hannah Weißbaum kennen- und lieben lernte, und welch drastische Veränderungen der Krieg mit sich brachte. Der Autor thematisiert den Rassen- und Fremdenhass, die Schikanen, Demütigungen und Misshandlungen der Juden, und das maßlose Grauen der Konzentrations- und Vernichtungslager. Er beschreibt die Verbrechen der SS und der Gestapo, die als Truppen des Teufels bezeichnet werden, und schildert die schockierende Wandlung eines jungen Mannes, dem die Macht zu Kopfe stieg. Durch die liebevolle und detaillierte Charakterzeichnung der handelnden Figuren wuchs mir das Kind Otto Piontek rasch ans Herz. Umso fassungsloser machte mich seine anschließende Veränderung und seine Zuwendung zum Bösen. Ben Solomon und Otto Piontek nehmen den meisten Raum in diesem Buch ein. Dennoch haben mich auch die Nebenfiguren durch ihre authentische Darstellung für sich eingenommen, seien es nun Bens liebevolle Eltern Abraham und Leah Solomon, seine Schwester Rebecca, oder Hannah Weißbaum und ihre Eltern. Bens und Hannahs große Liebe zueinander durchdringt das Buch von der ersten bis zur letzten Seite und offenbart eine ganz besonders innige Beziehung. Otto Piontek mutierte im Verlauf der Geschichte zum bösen Antagonisten, Nazi-Schergen wie Hans Frank, „der Schlächter von Polen“, spielen mit ihrer unvorstellbaren Grausamkeit ebenfalls eine Rolle im Buch. Ronald H. Balson bringt jedoch auch Figuren in die Handlung ein, die ihren Idealen und moralischen Überzeugungen treu bleiben und ihr Leben für andere riskieren. Die Handlung in der Gegenwart wird abgesehen von den Protagonisten Ben, Catherine und Liam durch einen undurchsichtigen Privatdetektiv, Anwälte und Richter belebt, Hannah Solomons beste Freundin, die reizende alte Witwe Adele Silver war mir vom ersten Moment an sympathisch. Während Elliot Rosenzweigs Enkeltochter Jennifer nur eine winzige Randfigur dieses Buches darstellt, fällt seiner Ehefrau Elisabeth eine kleine, aber entscheidende Aufgabe zu.

„Hannah und ihre Brüder“ hat meine an sich bereits hohe Erwartungshaltung weit übertroffen und mich mit dieser eindrucksvollen Lektüre zutiefst bewegt. Der Autor erzählt die Geschichte einer Familie aus Polen, die beispielhaft für Millionen andere Mitglieder jüdischer Familien steht. Er konfrontiert den Leser mit einem finsteren Kapitel der deutschen Geschichte und hat mit seinem Roman ein kleines Mahnmal gegen das Vergessen geschaffen.

„Es ist unsere moralische Pflicht, dass wir uns mit dem Holocaust auseinandersetzen und uns das ungeheuerliche Leid vergegenwärtigen, das mit ihm verbunden war. Nur wenn wir das tun, werden wir verhindern wollen, dass es nie wieder geschieht. Wir müssen wie Wachen sein, die bei dem ersten kleinen Anzeichen einer Wiederholung Alarm schlagen. Ebenso dürfen wir den Holocaust denen, die daran beteiligt waren, nicht vergeben, Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen gesühnt werden, ganz gleich, wie lange sie zurückliegen.“

Fünf Bewertungssterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!