Rezension

Nina Blazon erschafft mit ihren genialen Ideen, einzigartige Geschichten

Der dunkle Kuss der Sterne - Nina Blazon

Der dunkle Kuss der Sterne
von Nina Blazon

Als Canda an ihrem Hochzeitstag durch einen schrecklichen Albtraum erwacht, spürt sie deutlich, dass etwas in dieser Nacht geschehen ist und ein Teil von ihr mitgenommen hat. Ihr zögerlicher Blick in den Spiegel bestätigt dieses Gefühl. Es ist zwar ihr Gesicht, aber ihm fehlt der Glanz, mit dem sie alle bezaubert hat. Und noch etwas beunruhigt sie: Ihre Verbindung zu ihrem versprochenen Gemahl Tian scheint abgerissen zu sein und auch Tian selbst ist verschwunden. Völlig aufgelöst sucht Canda Hilfe bei ihren Eltern und der Mégana – die Herrscherin des Landes. Doch diese reagieren anders als erwartet. Canda wird von ihrer Familie verstoßen und weggesperrt, weil sie eine Schande für ihre hohe Familie ist. Ihr gelingt die Flucht aus ihrem Gefängnis, hastet aber direkt in die Arme der Mégana, die ihr einen erstaunlichen Handel vorschlägt: Sie stellt Canda einen mysteriösen Sklaven, Amad, zur Seite, um Tian zu suchen und zurück zu bringen. Doch der Preis, den Canda für diesen Handel zahlen muss, ist hoch, und ihre Suche führt auf ungeahnte Wege …

„Manchmal ist das, was man sieht, nicht die einzige Wirklichkeit.“ Seite 203

Dieses Zitat aus Nina Blazons neuem Werk „Der dunkle Kuss der Sterne“ passt eigentlich zu jeder Geschichte aus ihrer Feder. Auch wenn ihre Bücher sich mit unterschiedlichen Themen beschäftigen, so haben sie doch eins gemein: dass es meistens anders kommt, als ihre literarischen Figuren denken. Und so führt sie auch den Leser auf viele dunkle Wege in ein ungewisses, immer wieder überraschendes und spannendes Abenteuer. Auch Canda erscheinen die Geschehnisse wie ein großer Irrtum. Tians Verschwinden, die Abwesenheit ihres Glanzes und die Konsequenzen, die für sie daraus entstanden sind. Anfangs tut sie sich ein wenig schwer, sich ihnen zu beugen, um sich mit einem niederen Sklaven auf die Suche zu machen.  Doch irgendwann muss sie erkennen, welche finstere Vergangenheit die Macht ihrer hohen Familie ausmacht und auch ihre Liebe wird auf eine große Probe gestellt.

Literarische Figuren müssen meiner Meinung nach nicht sympathisch sein, sondern in ihren Charaktermerkmalen überzeugend und faszinierend. Canda und Amad sind Charaktere, die absolut überzeugend sind, sich aber im Verlauf der abenteuerlichen Handlung stark verändern und an ihren Taten wachsen. Sie sind eben so undurchsichtig und überraschend, wie das komplexe Geschehen und schleichen sich nach und nach ins Herz des Lesers. Ihre kleinen gegeneinander geführten Kämpfe und Zankereien waren für mich wie das Salz in der Suppe. Am meisten beeindruckt hat mich jedoch Canda. Geboren als Hohe in Ghan, einer Stadt, die ihre Macht stolz präsentiert, die alle Vorzüge dieses privilegierten Lebens genießt, und diese Gewohnheiten kann sie nur schwer ablegen. Eine Gabe hat sie jedoch nicht verloren, die sie auf dieser Suche begleitet und ihr oft das Leben rettet: Sie hinterfragt viele Begebenheiten und stellt so ihr ganzes Leben und die Handlung auf den Kopf. Sie verliert binnen weniger Stunden alles, was ihr Leben ausgemacht hat und bewahrt sich ihr großes Herz und macht sich mutig auf den Weg in ein kühnes Abenteuer. Ich habe es sehr genießen können, sie auf ihrer holprigen Reise zu sich selbst zu begleiten.

Nina Blazons Stil und ihre Ideen kann man nur schlecht mit anderen vergleichen. Man liest nur ein paar Sätze und erkennt sofort ihren außergewöhnlichen und anspruchsvollen Stil und ihre bildgewaltige Sprache, die kombiniert mit ihrem Ideenreichtum, unfassbare Kulissen erschafft. In „Der dunkle Kuss der Sterne“ fühlte ich mich sehr geborgen mit den authentischen literarischen Figuren und einer sehr intelligenten, spannenden und ideenreichen Handlung. Weil viele überraschende Szenen gekonnt platziert wurden, um die Handlung voranzutreiben, bemerkte ich kaum, wie die Zeilen verflogen. Und obwohl ich sonst froh bin, wenn ein Autor sich auf ein Buch beschränkt, hat mich diese einteilige Geschichte glücklich, aber auch ein wenig wehmütig, zurückgelassen.