Rezension

Nishino und die Flüchtigkeit von Liebe

Die zehn Lieben des Nishino - Hiromi Kawakami

Die zehn Lieben des Nishino
von Hiromi Kawakami

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT
Nishino ist der perfekte Liebhaber, der die geheimen Wünsche jeder Frau errät. Warum hat keine seiner Lieben Bestand? Es beginnt schon in der Schule. Warum ist die Welt so unendlich? fragt Nishino seine Freundin, um sie gleich mit der nächsten zu betrügen. Ein Mädchen spricht ihn auf der Straße an und will sofort Sex mit ihm. Seine Chefin hat sich geschworen, nichts mit ihm anzufangen, bis er sie aus heiterem Himmel verführt. In seinen Fünfzigern möchte er zusammen mit einer jungen Geliebten sterben, doch so weit will sie nicht mit ihm gehen.
(Quelle: Hanser Verlag)

MEINE MEINUNG
“Die zehn Lieben des Nishino" ist der neue Roman der bekannten und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichneten japanischen Autorin Hiromi Kawakami, der nun in deutscher Übersetzung erschienen ist. Hierin thematisiert Kawakami nicht nur die Flüchtigkeit und Unberechenbarkeit der Liebe in der heutigen Zeit, sondern auch vom schwierigen Verhältnis zwischen Mann und Frau. Zugleich gewährt sie uns einen aufschlussreichen Einblick in die uns oftmals fremde und unverständliche japanische Mentalität und Kultur.
Kawakami versteht es, mit ihrem schnörkellosen, prägnanten Schreibstil, wundervoll poetischen Bildern und ihrem ruhigen, einfühlsamen Erzählfluss eine unnachahmliche Atmosphäre entstehen zu lassen, die mich gefangen genommen hat.
Im Mittelpunkt ihres neuen Romans steht der gutaussehende, überaus charmante aber etwas distanziert wirkende Nishino, der als “moderner Don Juan” und perfekter Liebhaber stets von den Frauen umschwärmt wird, aber dennoch zeitlebens keine erfüllende, dauerhafte Beziehung zu einer Frau aufbauen kann. Oftmals hat er sogar auf der Suche nach wahrer Liebe seine Liebschaften parallel zueinander laufen. Auf sehr ungewöhnliche Art portraitiert die Autorin ihren rätselhaften Protagonisten Nishino, denn lässt sie ihn nicht persönlich seine Lebensgeschichte erzählen, sondern zehn Geliebte Nishinos kommen zu Wort, die in jeweils in sich abgeschlossenen Kapiteln aus ihrer subjektiven Perspektive über ihre kurzzeitige Liebesbeziehung zum ihm und ihre Trennung berichten. In einzelnen, scheinbar unbedeutende Episoden und willkürlich aneinandergereihten Schilderungen der so unterschiedlichen Frauen wie dem Kennenlernen, ihrem Zusammensein auf teilweise sehr eigenwilliger Basis, alltägliche Belanglosigkeiten, ja sogar merkwürdige Dreiecksbeziehungen formt sich allmählich ein fragmentarisches, zwiespältiges Bild über den Charakter und die Lebensgewohnheiten des Protagonisten.
Insgesamt erfährt der Leser in den zehn nicht chronologisch angeordneten Episoden und stets subjektiv eingefärbten Erzählungen der Geliebten sehr viel über Nishinos Leben und seine Gewohnheiten, vor allem über seine Beziehungsängste, Selbstverliebtheit und der Widersprüchlichkeit seiner Gefühle und seiner Wunschvorstellung von Liebe. Dennoch schwingt beim Lesen stets auch ein Zweifel am Wahrheitsgehalt der Berichte mit. So kam mir bisweilen der Verdacht, ob Nishino nicht seine Gespielinnen oftmals getäuscht hat und ihnen bewusst etwas vorgespielt hat. So bleibt mein Eindruck von Nishinos Persönlichkeit bis zuletzt vage - eine faszinierende Annäherung an einen undurchsichtigen, unnahbaren Charakter, der seinen eigenen Mikrokosmos geschaffen hat.

FAZIT
Ein außergewöhnlicher, sehr ruhiger und atmosphärisch dichter Roman aus Japan, zu dem man allerdings nicht leicht Zugang findet!