Rezension

Noch besser als erwartet!

Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich.
von Paula Hawkins

Bewertet mit 4 Sternen

Rachel fährt jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit und sieht auf dieser Fahrt Häuser. Einige sieht sie besser als die anderen, weil der Zug immer an einer bestimmten Stelle halten muss, von welcher sie eine gute Sicht auf den Garten eines Paares hat, welches sie Jess und Jason nennt. Immer mehr versinkt Rachel in ihrer eigenen Traumwelt, als würde sie die beiden kennen. Doch eines Tages beobachtet sie etwas, womit sie nicht fertig wird und was ihr eigenes Bild von dem idealisierten Paar in Frage stellt. Als dann auch noch Jess verschwindet, wie Rachel über eine Zeitung erfahren muss, realisiert sie, dass sie sich nun aktiv in das Leben des Paares einmischen muss - koste es, was es wolle.

Ich war sehr gespannt auf dieses Buch, weil es ja ziemlich gehypt wird. Überall sieht man die Werbungen dafür, weshalb ich ein wenig skeptisch war. Ich hatte Angst, dass ich mir vielleicht zu viel versprechen könnte. Schon nach den ersten Seiten war mir klar, dass diese Sorgen unbegründet waren. Die Geschichte nimmt zwar nur langsam Fahrt an, aber dennoch war ich sofort im Geschehen drin. Ich fühlte mich förmlich in den Zug hineinversetzt und konnte mir dank des wunderschönen Covers auch vorstellen, direkt am Bahnhof zu stehen. Ich kann es nicht anders sagen, als, dass diese Geschichte mich recht schnell in ihren Bann zog.

Wirkliche Spannung gab es nie, obwohl sie mich gut unterhielt. Wirklich mitgefiebert habe ich aber nie, zumindest war ich nie vor Schock erstarrt. Dennoch konnte ich mich gut in das Geschehen einfinden und alles aus einer gewissen Distanz beobachten, was nicht zuletzt daran lag, dass mir in dem Buch keiner wirklich sympathisch war, bis auf Cathy, von der man aber leider nicht so viel liest. Mit der Protagonistin bin ich leider überhaupt nicht warm geworden, auch wenn die Autorin es versteht, das Leben und die damit auftretenden Probleme einer Alkoholikerin zu schildern. Vor allem der Teufelskreislauf wird hier sehr gut beschrieben, für meine Verhältnisse war es manchmal sogar ein wenig zu detailliert. Gerade aber wegen dieser Krankheit fällt es einem selbst schwer, Rachel und ihren Wahrnehmungen zu trauen, weil man auch recht schnell merkt, dass sie eher in einer Scheinwelt als in der Realität lebt.

Sehr gut hat es mir gefallen, dass das Buch aus mehreren Perspektiven geschildert wird. Diese Personen sind Rachel, Nina und Megan. Megan ist die, die Rachel selbst Jess nennt, während Nina die jetzige Frau von Rachels Ex-Mann ist. Die drei könnten nicht unterschiedlicher sein, obwohl sie auch viele Gemeinsamkeiten aufweisen, wodurch die Entwicklungen der einzelnen Figuren sehr interessant zu beobachten sind. Glücklicherweise habe ich diese auch nie durcheinander geworfen, weil die Autorin es versteht, geschickt immer wieder Dinge einfließen zu lassen, durch die man die Personen klar voneinander unterscheiden kann.
Allerdings gibt es eben auch ein Problem: in diesem Buch gibt es Zeitsprünge. Mal ist alles chronologisch und dann wieder total verschoben. Gerade bei den unterschiedlichen Perspektiven kann das hin und wieder für Verwirrung sorgen, aber gibt sich recht schnell wieder, wenn man dann einfach weiter liest.

Natürlich fragte ich mich auch immer wieder, was mit Jess bzw. Megan passiert sein könnte und fragte mich auch, wer möglicherweise ein Täter sein könnte. Recht schnell hatte ich viele Vermutungen und war bis zum Ende misstrauisch gegenüber allen Personen. Trauen konnte man in diesem Buch wirklich niemanden, wodurch auch immer in gewisser Weise eine bedrückende und beklemmende Stimmung herrschte, die dem Ganzen dann doch noch das gewisse Etwas gab.

Insgesamt konnte mich das Buch aber gerade wegen des Gefühls, bei einer Zugfahrt dabei zu sein, in den Bann ziehen, was nicht zuletzt an dem genialen Schreibstil der Autorin liegt, die es versteht, Dinge in einer gewissen Hektik und zugleich Ruhe niederzuschreiben, dass man selbst an seinem Verstand zu zweifeln beginnt. Gerade die unterschiedlichen Perspektiven haben diesem Buch erst Leben eingehaucht, wodurch ich mich dem Geschehen sehr nah fühlte, auch wenn ich Rachel die ganze Zeit über skeptisch gegenüber stand. Trotz der unsympathischen Protagonistin, die mir teilweise ziemlich auf die Nerven ging, hat es mir großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Der Hype ist definitiv berechtigt!