Rezension

Nostalgisch, anrührend, aber leider übers Ziel hinausgeschossen

Hard Land -

Hard Land
von Benedict Wells

Bewertet mit 3 Sternen

..., so würde ich meinen Erstkontakt mit Wells beschreiben.

Seine Coming-of-Age-Geschichte spielt in Grady, einer niedergehenden Kleinstadt in Missouri/USA im Jahr 1985. Es gibt noch keine PCs und auch keine Handys, dafür ein altes Kino und das vertraute Diner, Anlaufstelle und Treffpunkt der Jugend.
Sam ist 15, kontaktscheu und introvertiert. Sein Vater, arbeitslos, weil der größte Arbeitgeber in der Stadt seine Tore geschlossen hat, spricht nicht viel mit ihm und sein große Schwester ist weggezogen und meldet sich selten. Seine einzige Vertraute ist seine Mutter, allerdings ist bei ihr der Krebs zurückgekehrt, den sie vor wenigen Jahren glaubt, besiegt zu haben.
Um nicht die Ferien bei seinen ungeliebten Cousins verbringen zu müssen, springt Sam über seinen Schatten und nimmt den Aushilfsjob im Kino an. Dort arbeiten auch Cameron, "Hightower" und Kirstie, alle älter und mit Plänen, nach diesem Sommer die Stadt zu verlassen. Doch bevor sie sich trennen, erleben die Vier eine unvergessliche Zeit voller Mutproben, Gespräche, Alkohol und Drogen. Sam erkennt, dass alle ihr Päckchen zu tragen haben, dass er an Kirstie nicht herankommt und dass man die Zeit nicht anhalten kann. Auf dem Höhepunkt der besten Zeit, die Sam je erlebt hat, stirbt seine Mutter. Die Schüchternheit zerreißt, die Schweigemauern brechen, Sam schlägt zurück. Jetzt muss sich wahre Freundschaft beweisen.

Wells versteht es, alle Register für eine nostalgische Reise in die "unbeschwerte" Jugend zu ziehen, mit Songs aus den Achtzigern, mit dem Gefühl noch ein "echtes" Leben gehabt zu haben. Die Kontrapunkte setzt er in den Niedergang der kleinen Stadt, was sich in Schließungen, Arbeitslosigkeit und Wegzug niederschlägt, in persönliche Dramen, wie Krankheit und dysfuntionalen Familien und schließlich mit den gesellschaftpolitischen Themen, wie Homosexualität, Rassismus und eine, sich mit allen Mitteln "ausprobierende", rebellische Jugend. Auf der einen Seite ein "gefühlsechtes" Buch, mit vielen Bonmots, die man sich alle am liebsten ins Poesiealbum schreiben möchte, andererseits eine handwerklich durchdachte Story, die alle Aspekte des Dramas beherzigt.

Fast perfekt, wenn nicht im letzte Abschnitt alles erklärt, ein riesiger Friede-Freude-Eierkuchen gebacken, und die Auflösung dieses unsäglichen Gedichts vom einzigen brühmten Kind der Stadt, welches Jahr für Jahr von den Abschlussklassen interpretiert werden musste, gebracht worden wäre. That was much to much und in meinen Augen arg strebsam. Die punktgenauen Landungen in der Dramaturgie, die spannungsgeladenen, erotischen Momente und die detailversessene Analyse der Familienkalamitäten, haben meine Augen rollen und mein Interesse zum Ende schwinden lassen. Schade, denn der Anfang war toll!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. März 2021 um 22:52

Mit rollenden Augen kann man auch so schlecht lesen.
 

Marshall Trueblood kommentierte am 17. März 2021 um 15:00

Ich mochte es sehr, aber das Ende hat mich doch auch sehr verärgert!