Rezension

Nur das Ende hat mich nicht so ganz überzeugt

Winterhonig - Daniela Ohms

Winterhonig
von Daniela Ohms

Bewertet mit 4 Sternen

"Winterhonig" ist für mich ein echtes Highlight in diesem Lesejahr geworden. Aus dem Bauch heraus habe ich trotzdem nicht die volle Punktzahl vergeben. Vielleicht, weil ich finde dass das Ende nicht ganz zum Rest der Handlung passt. 
Trotzdem kann ich den Roman jedem weiter empfehlen, der gerne etwas über die Zeit im Nationalsozialismus auf dem Land erfahren möchte. Denn dort hat Ohms ihre Handlung angesiedelt und das war für mich auch der Grund neugierig darauf zu werden. Bisher kannte ich nur ihren Roman "Der geheime Name" den sie unter ihrem Pseudonym Daniela Winterfeld veröffentlicht hat. Dieser hatte mir so gut gefallen, das ich so oder so ein neues Buch von ihr lesen wollte. Geschichte ist ein wichtiges Kapitel in meinem Leben und obwohl ich nun ein anderes Fach studiere, lässt sie mich nie ganz los. Vor allem auch nicht die Themen, die in "Winterhonig" aufgegriffen werden. 

Daniela Ohms hat sich keine Leichte Aufgabe ausgesucht. Immerhin ist ihre Hauptfigur Karl ein Soldat der Wehrmacht und gleichzeitig mit einem Geheimnis behaftet, das sein Leben bedroht. Diese Ambivalenz hat sie meiner Meinung nach gut gelöst und glaubwürdig geschildert. Außerdem merkt man immer wieder, wie gut sie recherchiert hat. Trotzdem fließt alles ineinander und wirkt nie belehrend. Im Gegenteil, die Handlung ist einfach. (Wenn wir wisst was ich meine^^). Schön finde ich, das man dabei Karls Gefühle gegenüber Mathilda sehr ehrlich kennen lernt. Das wird männlichen Figuren oftmals ja nicht so richtig "erlaubt". 

Mathilda mit ihren Gefühlen, Ängsten und Sorgen - vor allem als jüngstes Kind einer Großfamilie - das war für mich ebenfalls lebendig beschrieben. Schade fand ich dabei das ihre Geschwister eher einseitig beleuchtet werden. Auch wenn dies einerseits logisch ist, andererseits merkt man dabei aber auch, das Mathilda oftmals gar nicht darüber nach denkt, ob ihre große Schwester Katharina eigentlich wirklich glücklich darüber ist, die Ersatzmutter spielen zu müssen. Sie ist doch sehr auf sich selbst fokussiert. Das liegt aber auch sicher daran, das sie als Jüngste lange Jahre immer wieder zurückstecken musste. Sie wirkt deshalb noch lange nicht unsympathisch, sonder gerade dadurch, als ein Mädchen das es so gegeben haben könnte. 

Mich hat hier vor allem auch das Leben abseits großer Städte gereizt. Das gerade die Blut und Boden Politik der Nationalsozialisten die ländliche Bevölkerung angezogen hat, wird in Romanen oft nicht thematisiert. Meistens werden eher die größeren Städte in den Fokus genommen. Auch hier ist es Ohms gelungen einfach Menschen darzustellen. Dadurch kann man verstehen, weshalb die NSDAP ihre Anhänger finden konnte, ohne das dies explizit ein Thema wäre. Oft sind ganz andere Fragen wichtig, etwa wie die nächste Ernte gestemmt werden soll, wenn alle jungen Männer im Krieg kämpfen. Oder was eigentlich passiert wenn uneheliche Kinder geboren werden. 

Mathildas Entwicklung zu einer selbstständig denkenden Frau wird sehr deutlich. Immer wieder kommt es zu Situationen in denen sie erkennt, das vieles das sie nie hinterfragt hat, eigentlich alles andere als in Ordnung ist. Etwa auch welches Schicksal eine junge Frau erwartet, wenn sie ein uneheliches Kind von einem Zwangsarbeiter bekommt. Vor allem ihre Gefühle zu Karl, aber auch die Tatsache das sie eine Zeitlang nicht auf ihrem Heimathof gelebt hat, geben ihr ganz neue Blickwinkel mit auf den Weg. 

Liebesgeschichten sind jetzt nicht wirklich etwas Neues und Überraschendes.  Hier ist sie vor allem ein Katalysator für die Veränderungen die sowohl Mathilda als auch ihre ganze Familie betreffen werden. Vor allem ihr Bruder Joseph spielt dabei eine zentrale Rolle. Aber auch Karl erlebt, was die Gefühle bewirken können, die das Paar füreinander empfindet. Mir hat hier auch gefallen, das man durch die Briefe und Rückblicke in Vergangene Jahre erlebt, wie diese überhaupt entstehen. Dadurch lässt sie sich miterleben und es entsteht nie der Eindruck, das alles käme unerwartet und plötzlich. 

Karls Geschichte und sein Geheimnis habe ich dagegen recht schnell durchschaut. Ich denke das liegt an meinem eigenen Vorwissen und daher weiß ich nicht, ob ich es ohne dieses so schnell erraten hätte. Ich habe den Fokus aber auf andere Punkte gelegt, weshalb ich das dann auch nicht weiter Schlimm fand. 

Gerade auch die Melancholie der Handlung hat mich dabei immer wieder überzeugt. Mehrere Schicksalsschläge machen deutlich, wie nah die Ereignisse auch auf dem Land plötzlich kamen. Tatsächlich wurde es mir dann aber an einer Stelle zu süßlich. Es geht dabei vor allem um Joseph und seine Entscheidungen. Ich finde diese Entwicklung hätte der Roman nicht gebraucht und gebe zu, das ich mir hier ein etwas anderes Ende gewünscht hätte. 
Spoiler (Klick zum Anzeigen/Verbergen)
Obwohl mir diese Entwicklung wie gesagt nicht gefallen hat, ist Ohm an anderer Stelle gelungen das Zum Teil wieder aufzufangen und zu zeigen, das hier ein Bruch passiert ist. Einer der nicht wieder ganz gekittet werden kann, aber das es trotzdem eine Chance gibt, zumindest wieder überhaupt ein Leben auf zubauen.