Rezension

Nur ein Tagebuch

Als die Welt stehen blieb -

Als die Welt stehen blieb
von Maja Lunde

Bewertet mit 2 Sternen

Eine Frau. Schriftstellerin. Drei Söhne, ein Mann. Plötzlich: Eine Pandemie. In Maja Lundes Buch „Als die Welt stehen blieb“ beschreibt die bekannte Autorin ihre Erlebnisse in den ersten Tagen des Lockdowns in Norwegen. Offen und ohne sich zu verbergen spricht sie von ihren Ängsten, ihrer Panik, dem Kontrollverlust, den sie erleidet. Das Buch endet mit den ersten Zeichen der Gewöhnung an die Situation, denn nach den „ersten Tagen“ folgen, wie wir wissen, viele, viele weitere Tage. „Die ersten Tage“ („De første dagene“) ist auch der Originaltitel des Buches, der diese Dynamik andeutet. Der deutsche Titel „Als die Welt stehen blieb“ tut dies nicht. Aber sicher verkauft sich das Buch so besser.

Mit dieser Offenheit gewährt uns die Autorin Einblick in ihr Empfinden und wir erleben mit, wie ihr die Situation entgleitet und sie um die Wiedergewinnung der Kontrolle kämpft. Vielen, den es in den „ersten Tagen“ ähnlich ergangen ist, spricht sie vermutlich aus der Seele. Dafür vergebe ich zwei Sterne. Bei diesen zwei Sternen bleibt es. Denn: das ist keine Literatur. Das ist nur ein Tagebuch. Es gibt in West und Mitteleuropa vermutlich hunderttausende Tagebücher, die dasselbe beschreiben, vielleicht sogar von Menschen, die, bei Lichte gesehen, mehr zu ertragen hatte. Gerne würde ich diese Tagebücher lesen und mit diesen Menschen mitleiden. Wo ist der Verlag, der diese Tagebücher veröffentlicht?

Das Buch – besser: das Büchlein – hat keinen erkennbaren Zusammenhalt. Andere Personen tauchen nicht wirklich als Personen auf. Sie werden nicht mit Namen genannt, sondern nur in ihrer Funktion für die Autorin (Mein Mann, meine Mutter, meine Lektorin) oder innerhalb der Familie (der Jüngste, der Älteste, der Mittlere). Statt einer künstlerischen Auseinandersetzung erleben wir nur den Film, der vor den Augen der Autorin abläuft. Die offensichtliche Tatsache, dass sie selbst Autorin von dystopischen Romanen ist, wird gelegentlich erwähnt (als würde man das nicht selbst wissen und vielleicht sogar das Buch deshalb lesen), aber auch darauf reflektiert sie nicht. Eigentlich reflektiert sie gar nicht.

Wie gesagt: nur ein Tagebuch, keine Literatur. Aber sicherlich ein gutes Geschäft für den Verlag.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. September 2020 um 08:53

ohoh, wenn man erst einmal einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, wird jeder Pups von einem veröffentlicht.

Emswashed kommentierte am 30. September 2020 um 08:07

Bei manchen riechen auch die Pupse lieblich, aber offensichtlich bei Frau Lunde nicht! haha

@ Sursu Danke für die Warnung!

gst kommentierte am 30. September 2020 um 11:06

Es ist immer gut zu wissen, wenn es sich nicht lohnt, ein Buch zu lesen. So bleibt mehr Zeit für die, die erbaulich sind. Danke!