Rezension

Nur einen Horizont entfernt

Nur einen Horizont entfernt
von Lori Nelson Spielman

Bewertet mit 4 Sternen

TV-Moderatorin Hannah Farr erhält einen Entschuldigungsbrief von einer ehemaligen Klassenkameradin, in dem diese um Vergebung für ihr Jahre zurückliegendes Mobbing bittet. Wenn Hannah die Entschuldigung annimmt, soll sie ihr einen der beiden beigelegten Steine als Zeichen der Vergebung zurückschicken; den zweiten dieser sogenannten Versöhnungssteine soll sie selbst jemandem schicken, dessen Vergebung sie sich wünscht. Auf Drängen ihres Vorgesetzten setzt sich Hannah für ihre Sendung  weiter mit dem kultartigen Phänomen, zu dem die Steine bereits geworden sind, auseinander. Dabei zeigt sich jedoch, dass ehrlichen Entschuldigungen auch ein gewisses Zerstörungspotenzial innewohnt, was sie schmerzlich am eigenen Leib erfahren muss, als sie die Menschen um Vergebung bittet, deren Leben sie einst mit einer Lüge drastisch veränderte – darunter ihre eigene Mutter…

Das Cover von Nur einen Horizont entfernt ist sehr hübsch mit der großen, fragilen Pusteblume darauf, die die Silhouette einer Frau um das Vielfache überragt und damit verdeutlicht, dass kleine Dinge manchmal größer als ein einzelner Mensch sein können. Durch das Colour-Blocking von Lila und Gelb wirkt das Buch von außen auffällig, aber nicht überladen, wobei es optisch dem Prinzip von Morgen kommt ein neuer Himmel folgt, neben dem es sich hervorragend im Regal macht.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, da die Sprache wie aus dem Leben gegriffen wirkt, ohne dabei in Umgangssprache zu verfallen.

Mit der Protagonistin kann man sich häufig sehr gut identifizieren, da man ihre inneren Kämpfe miterlebt und sie genau im richtigen Maß ins Fettnäpfchen tritt. Wie sie sich immer wieder mit faulen Ausreden von ihrem Freund abspeisen lässt, kann man jedoch nicht so einfach nachvollziehen. Wirklich schwierig wird es allerdings, als man erfährt, was sie ihrem Stiefvater vor Jahren angehängt hat, selbst wenn es eine Kurzschlussreaktion war. Erst als eine weitere Person Zweifel an dessen Unschuld aufkommen lässt, kann man sich vorstellen, dass Hannah vorher vielleicht einiges unbewusst wahrgenommen hat, was sie letztendlich zu ihrer Reaktion geführt hat.

Hannahs Konkurrentin Claudia beim Fernsehen finde ich dagegen etwas flach geraten – zwar scheint sie zwischendurch die Seite zu wechseln, aber irgendwie ist genau das für mich eine typische 0-8-15-Nummer, bei der man der Protagonistin eigentlich nur zusieht, wie sie dieser Person in die Falle geht und damit ins eigene Verderben läuft.

Auch einige Nebenfiguren kommen ein wenig zu kurz, so wie Hannahs Mutter, der meiner Meinung nach ein wenig mehr Platz in der Geschichte eingeräumt werden sollte.

Interessant ist jedoch Hannahs alte und blinde Freundin Dorothy, die das Buch mit ihrer Lebenserfahrung und ihrer Weisheit um einiges bereichert. Gerade deshalb ist es jedoch auch beruhigend zu wissen, dass selbst ein Mensch wie sie mitunter schwerwiegende Fehler im Leben gemacht hat und dass niemand perfekt ist.

Besonders erfrischend sind auch die Szenen mit RJ, für den Hannah gleich ein wenig schwärmt, mit dem sich aber nur sehr langsam etwas entwickelt, dass sie nicht so recht beschreiben kann und dass sie dann auch noch verliert, als sie am wenigsten damit rechnet, da die Autorin noch eine Überraschung für den Charakter übrig hat.

Glücklicherweise gibt es ein hoffnungsvolles Ende mit mehr als einer aufrichtigen Versöhnung, auch wenn der Weg dahin hart und steinig ist.

Insgesamt ist Nur einen Horizont entfernt also ein sehr schönes Buch zu einem Thema, mit dem jeder Mensch etwas anfangen kann, da jeder irgendjemandem eine Entschuldigung schuldet, und mag sie auch noch so klein sein. Das Buch zeigt, welche weitreichenden und unvorhergesehenen Konsequenzen Worte und Taten haben können und auch wenn man diese nicht rückgängig machen kann, so macht es doch Mut, zumindest dazu zu stehen und ehrlich um Vergebung bei den Betroffenen zu bitten, genau wie man sie selbst gewähren sollte, wenn die Entschuldigung von Herzen kommt.