Rezension

Nur wer riskiert zu fallen, kann wirklich fliegen lernen!

Mit dem Wind - Paula Leonhardt

Mit dem Wind
von Paula Leonhardt

Bewertet mit 5 Sternen

1884 Frankfurt. Die Näherin Mathilde, genannt Tille, war schon als Kind ein Wildfang und eine Abenteurerin, der sich ausprobieren musste. Sie lebt mit ihrer Mutter Magda zusammen und Fritz ist ihr bester Freund in allen Lebenslagen. Nicht nur das Balancieren auf einem Seil im Haushof hat Tille ausprobiert, ihre Sehnsucht zu fliegen ist riesig. Als sie bei einer Flugveranstaltung den Ballonfahrer Paul Naumann kennenlernt, ergreift Tille die Chance und arbeitet bald für ihn als Näherin, um die Fallschirme und den Ballon in Schuss zu halten. Dabei lernt sie eine Menge über das Ballonfahren und es dauert nicht lange, da bittet sie Paul, der ihr Herz im Sturm erobert hat, sie im Ballon mitzunehmen. So werden Tille und Paul nicht nur ein Liebespaar, sondern auch Ballonpartner. Ihre Beziehung krönt die Geburt der gemeinsamen Tochter Rosa, doch Paul ist ein unsteter Mann, der bisher nie eine dauerhafte Beziehung hatte, wohl aber gewillt ist, Tille das Eheversprechen zu geben. Aber bevor es dazu kommt, verunglückt Paul bei einer gemeinsamen Ballonfahrt und stirbt. Tille, die sich nun allein um Rosa kümmern muss, hadert mit der Ballonfahrerei, doch es liegt ihr einfach im Blut…

Paula Leonhardt hat mit „Mit dem Wind“ einen sehr unterhaltsamen historisch-angehauchten (Liebes-)Roman vorgelegt, der Fiktion und Tatsachen auf gekonnte Weise miteinander verbindet. Der Erzählstil ist locker-flüssig und gefühlvoll, der Leser wird mit der ersten Seite in die Geschichte hineingesogen, wo er sich an Tilles Seite niederlassen darf, um für eine Weile Teil ihres Lebens und ihrer Abenteuer zu sein. Die Autorin hat sich von der Ballonfahrerin und Fallschirmspringerin Käthe Paulus inspirieren lassen, wie sie im Anhang beschreibt. Der Leser erfährt innerhalb der Handlung einiges über die Faszination des Ballonfahrens und worauf bei dem damals doch noch recht abenteuerlichen Unterfangen alles zu achten war. Die Verflechtung von Fiktion und Wahrheit ist in diesem Roman sehr schön gelungen. Auch die Rolle der Frau zur damaligen Zeit ist ein Thema, das gut herausgestellt wurde, denn Tille fällt mit ihrer gewählten Lebensform völlig aus dem Rahmen und entspricht so gar nicht den gesellschaftlichen Konventionen. Pionierinnen wie ihr ist es zu verdanken, dass die Frauen von heute selbstbestimmt leben können.

Die Charaktere haben glaubwürdige Ecken und Kanten und wirken gerade deshalb sehr authentisch und voller Leben. Der Leser fühlt sich schnell als Teil von ihnen, so fällt das Mitfiebern, -trauern, -hoffen und –bangen leicht. Tille ist eine Abenteurerin, die jede Minute ihres Lebens nutzt, um sich auszuprobieren und ihre Träume wahr werden zu lassen. Sie ist eine offene und ehrliche Frau, deren Herz auf der Zunge sitzt. Sie ist hilfsbereit und liebevoll, kann aber manchmal auch unnachgiebig und hart sein. Tilles Mutter Magda ist eine wunderbare Frau, die ihre Tochter immer unterstützt und alles dafür tut, dass diese ihr Leben frei gestalten kann. Paul ist ein Luftikus, seine Leidenschaft ist die Ballonfahrerei mit Akrobatik. Er will sich nicht festlegen und Fesseln anlegen schon gar nicht. Fritz ist ein treuer und lieber Freund, der heimlich leidet, aber immer da ist, wenn man ihn braucht. Emma ist eine von Neid zerfressene Frau, die nicht gönnen kann und alles für sich beansprucht. Aber auch Nebendarsteller wie Schütz, Rosa und Hans geben der Handlung immer wieder ein neues Gesicht und machen die Geschichte rund.

„Mit dem Wind“ ist ein sehr schöner Liebesroman mit historischer Kulisse, der dem Leser nicht nur die Faszination für die Ballonfahrerei nahe bringt, sondern auch eine starke Frau mit Herz begleiten lässt. Einfach zwischen die Seiten tauchen und sich verzaubern lassen. Absolute Leseempfehlung!