Rezension

Ob ein Eisbär wohl von Grönland nach Island schwimmen kann

Kalmann -

Kalmann
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

"Ich wünschte, Großvater wäre bei mir gewesen. Er wusste immer, was zu tun war. Vielleicht hätte er eine Pfeife gestopft und die Blutlache einfach zuschneien lassen." (Buchauszug)
Der 34-jährige Kalmann, der Sohn einer Isländerin und eines Amerikaners, wächst bei seinem Großvater in Raufarhöfn auf. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre er wahrscheinlich in einem Behindertenheim gelandet. Doch trotzdem der Großvater nun im Altenheim in Húsavík lebt, kann sich Kalmann ganz gut alleine durchs Leben schlagen. Wie vom Großvater gelernt, geht er weiterhin fischen und stellt Gammelhai her. Zudem ist er der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn, doch lieber jagt er Polarfüchse und geht auf die Stille des Meeres hinaus. Dann findet er eines Tages beim Arctic Henge eine riesige Blutlache im Schnee und alles verändert sein Leben.

Meine Meinung:
Das einsame Haus an der Küste auf dem Cover stellt ein wenig die Einöde Raufarhöfn dar, wo Kalmann lebt. Der Schreibstil ist unterhaltsam, locker und recht plastisch, sodass ich mir gleich den Charakter Kalmann und die Gegebenheiten Islands gut vorstellen konnte.Besonders lustig fand ich Kalmanns Aussage wie diese:
"Die Frauenauswahl war hier etwa so üppig wie die Gemüsekiste im Dorfladen. Bis auf Karotten, Kartoffeln, zwei schrumpeligen Paprika und braunen Salat gab´s da nichts." Hier spürt man sofort, dass der Autor gut recherchiert hat und er selbst Touristen über die Insel führt. Raufarhöfn ist ein Ort mit ca. 188 Einwohnern, Tendenz sinkend, dieses Dorf lebt vom Fischfang. Doch die Fangquoten haben den Fischern geschadet, so das sie nun versuchen, Touristen in ihr Dorf zu bekommen. Anziehungspunkt sollte das Arctic Henge werden, ein Bauwerk aus sechs mächtigen Felstoren, das bisher nicht zu Ende gebaut wurde. Genau dort ereignet sich das eigentliche Verbrechen in unserer Geschichte. Man vermutet, dass der Hoteldirektor Róbert McKenzie dort ermordet wurde. Kalmann entdeckt an dem Platz eine riesige Blutlache. In seiner Naivität verkündet er, dass es vielleicht ein Eisbär war, der von Grönland nach Island geschwommen ist und damit war die Sache für ihn erledigt. Kalmann geht weiter seiner Arbeit nach und ein Ereignis auf das Nächste folgt, in dem er selbst immer wieder verstrickt wird. Dabei beschreibt der Autor Kalmanns Eindrücke von der Stille des Meeres, der Herstellung des Gammelhais, seine Erlebnisse auf der Jagd, seine Sehnsüchte nach Liebe und Geborgenheit und einer Frau, die ihn in den Arm nimmt. Einerseits kann einem Kalmann leidtun, den er scheint doch recht einsam zu sein, bis auf seinen imaginären Freund Noi aus dem Internet hat er niemanden zum Reden. Die Mutter, sein Vormund, arbeitet als Krankenpflegerin im über 3 Stunden entfernten Akureyri und der senile Großvater lebt im Heim in Húsavík. Dorthin fährt ihn eine Dorfbewohnerin einmal die Woche, weil es ihm sehr wichtig ist. Das Buch Kalmann ist kein Krimi, selbst wenn es hier um ein Verbrechen geht, es ist eher eine Mischung aus Roman und Reiseführer. Dabei ist der Rolle Kalmanns das maßgebliche dieser Geschichte. Sein Charakter ist hier sehr speziell, ähnlich eines Autisten. Einerseits ist er der Dorftrottel, er ist sensibel, einfühlsam, in manchen Gebieten jedoch durchaus schlau, was vor allem das Jagen und Fischen anbelangt. Er hat Sehnsüchte, Wünsche, Träume, Hoffnungen und wird am Ende sogar noch als Held gefeiert. Doch er kann mitunter durchaus eine Wut entwickeln, die er dann versucht, an sich oder an anderem abzureagieren. Der Autor sagt in einem Interview, das im Grunde in jedem von uns ein Kalmann steckt. Das könnte durchaus sein, was die Wünsche und Sehnsüchte anbelangt, die er hat. Doch das Buch hat mitunter einige Längen und Wiederholungen, die für mich recht ermüdend waren. Jedoch das Ende brachte dann noch eine sehr eindrückliche Begebenheit, die ich unfassbar stark fand. Gerade diese Schilderung hat mich genauso fasziniert wie die anderen Beschreibungen in diesem Buch, zudem habe ich mit Kalmann mitgelitten. Auf alle Fälle bekommt man durch dieses Buch einen Einblick in die Kultur und Natur Islands, sodass man Lust bekommt, dieses Land mal persönlich zu sehen. Deshalb von mir 4 von 5 Sterne für dieses besondere Buch.