Rezension

Obsession...

Der Revolver - Fuminori Nakamura

Der Revolver
von Fuminori Nakamura

Bewertet mit 4 Sternen

Der Student Nishikawa findet an einem regnerischen Abend in Tokio die Leiche eines Mannes. Statt die Polizei zu rufen, nimmt er den Revolver an sich, der neben dem Toten liegt. Es beginnt die Geschichte einer Obsession, die den Leser immer tiefer in die verworrenen und absurden Gedanken Nishikawas hineinführt. Die Waffe weckt etwas Dunkles in ihm und wird mehr und mehr zum Zentrum seines Lebens.

 

"Da lag er, der Revolver, als hätte er schon immer dagelegen (...) Es fühlte sich an, als würde der Revolver mir helfen, aus meiner verschlossenen Welt auszubrechen, als würde er mich dahin führen, wo alles möglich war." (S. 20)

 

Mit knapp 200 Seiten ist diese Erzählung eher eine Novelle denn ein Roman. Der Student Nishikawa nimmt als Ich-Erzähler den Leser mit in seine Welt, die aus einem engen, kleinen Zimmer besteht, einem unauffälligen Leben als fleißiger Student, oberflächlichen Freundschaften und lockeren Affären. Gleichgültigkeit prägt den jungen Mann, was sich mit dem Fund des Revolvers allerdings zu ändern beginnt.

Nishikawa musste gar nicht darüber nachdenken, wie er auf den Fund der Leiche reagieren sollte. Der Revolver gab den Ausschlag - der junge Mann nahm ihn an sich und rannte mit ihm davon, bange hoffend, dass ihn niemand gesehen hatte. Seither fühlt er sich von einem Glücksgefühl durchdrungen, das er sich nicht erklären kann, das er aber auch nicht mehr missen möchte. Nishikawa fühlt sich nun stark und unbesiegbar und gibt seine übliche Zurückhaltung zunehmend auf.

Doch die Veränderungen haben ihren Preis. Bald schon reicht es nicht mehr aus, den Revolver alleine nur zu besitzen und jeden Tag zu polieren - der Ruf der Waffe wird immer lauter. Nishikawa will nicht zurück in ein Leben voller Überdruss und Langeweile. Doch wird er dem zunehmend unwiderstehlichen Drang wirklich nachgeben, den Revolver tatsächlich zu benutzen?

 

"...es wurde immer schwieriger, jenes Glücksgefühl nur durch das Bewundern und Befühlen des Revolvers hervorzurufen. Am liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht - zu jenem Abend am Fluss, als der Revolver und ich noch gleichberechtigte Partner gewesen waren. Doch das war nicht mehr möglich. Der Revolver war ein Teil von mir geworden, hatte mein ganzes Denken und Handeln durchdrungen. Zu schießen war die eigentliche Bestimmung eines Revolvers, und so war es nur logisch, dass auch ich das wollte..." (S. 94)

 

Eine friedlich beginnende, trostlose Erzählung driftet zunehmend ab ins Wahnhafte und Böse. Der Ich-Erzähler bietet trotz der Einblicke in seine Gedankenwelt sowie einigen Rückblenden in seine Vergangenheit wenig mehr als seine glattgeschliffene Fassade, unter der es jedoch erkennbar immer mehr zu brodeln beginnt. Die Spannung wird durch die Frage aufrecht erhalten, wie sich Nishikawa letztlich entscheiden wird: schafft er es, sich vom Revolver zu trennen, der immer mehr Macht über seine Gedanken gewinnt, oder ist er bereit, dem Ruf der Waffe unter Missachtung jeglicher Konsequenzen zu folgen?

Der Schreibstil ist durch meist kurze, prägnante Sätze geprägt, passend zu der eher nüchternen Charakterdarstellung. Der Text liest sich dadurch flüssig, auch wenn das Verhalten und die Gedanken des jungen Studenten immer verstörender scheinen. Interessant fand ich hier auch die Einblicke in die japanische Lebenswelt (z.B. heißer Kaffee in Dosen aus Automaten), durchaus durchzogen von einigen gesellschaftskritischen Passagen - auch und gerade bezogen auf den westlichen Einfluss, v.a. die USA.

Alles in allem ein durchaus lesenswertes Debüt des japanischen Schriftstellers, dessen spätere Werke wie 'Der Dieb' oder 'Die Maske' bereits bei Diogenes erschienen sind. Ich jedenfalls bin neugierig geworden auf diesen Autor.

 

 © Parden