Rezension

Obwohl ich kein Schumi-Fan bin...

Mensch Schumi
von

Bewertet mit 4 Sternen

Recht jovial wird das Comeback von Michael Schumacher vom Verlag des Werkes umschrieben, Zitat „Schumi ist wieder da. Schumiiiiii! Nach 250 Formel 1-Rennen und einer beispiellosen Karriere kehrt Michael Schumacher 2010 zurück – ins Cockpit einer Silberpfeils. Aus der Formel 1 wird wieder die Formel Schumi. Die selbstgewählte Pause währte nicht lang genug, um es sich wirklich vorstellen zu können: Formel 1 ohne Michael Schumacher. Nach nur drei Jahren meldet es sich wieder zurück. Es war wie Tennis ohne Boris Becker, nicht nur für uns Deutsche. Sogar mehr, denn Schumi begleitet uns länger, intensiver. Nach 250 Rennen konnte so nicht einfach Schluss sein. Für ihn nicht, für uns nicht. Die Dimension Schumacher ist noch gewachsen als er pausierte. Schnell wurde klar, dass er viel mehr als nur Rennwagen bewegt hat. Mit der entsprechenden Beschleunigung tritt er sein großes Comeback an- an seinem Charakter hat sich nichts geändert. Mercedes war Steigbügelhalter für seine Formel-1- Karriere. Später begegnete man sich jahrelang nur als Gegner, der Traum vom deutsch-deutschen Team kam erst zustande, als sich Mercedes von McLaren abwendet und 2010 auf eigene Faust an den Start geht.“ - Zitat Ende.
 

*** Nicht so schön... ***

Wer aktuell über den 7-fachen Formel 1-Weltmeister Michael Schumacher schreibt, kommt nicht umhin, auf sein heutiges besorgniserregendes Schicksal einzugehen: wir erinnern und an die Nachrichten Ende 2013, dass der „Schumi“ durch einen Sturz beim Skifahren lebenbedrohliche Kopfverletzungen davontrug, die zu einem mehrmonatigem künstlichen Koma führten.Die Familie – und ich finde das richtig – hält die Öffentlichkeit während der Reha sehr konsequent aussen vor und gibt Neuigkeiten nur nach eigenem Gutdünken heraus. Mir scheint richtig, dies zu respektieren.

Nun nehme ich für mich in Anspruch „ich mag Schumi nicht wirklich 100 Prozent...!“ ...zumindest muss ich das doch ein wenig erklären. Ich denke, in der Art, wie er sich als privater Schumacher gibt, ist er ein sehr guter Typ. Ihn ehrt auch, dass er bekanntlich Projekte für Menschen, denen es weniger gut geht, mit horrenden Summen unterstützt hat. 

Als Rennfahrer bin ich überhaupt nicht sein Fan, denn seit er 1997 mit einem brutalen Foul gegen Jacques Villeneuve noch die WM an sich reißen wollte, hat ihn dies viele Sympathien gekostet. Bei mir war er auch lange unten durch deswegen. Aber noch ärgerlicher waren sogenannte Fans, die so unsportlich waren, dies zu verharmlosen. Doch nicht ohne Grund wurden iSchumacher alle Punkte des Jahres aberkannt. Damit war er nicht einmal Vizeweltmeister, sondern dies wurde Heinz-Harald Frentzen.

Ich gehöre auch zu denen, die sicher sind, dass er seinen ersten WM-Titel 1994 nur dadurch errang, dass er sein defektes Auto vor dem endgültigen Ausfall „mal rein zufällig“ ins Auto von Damon Hill lenkte, der damit der Chance beraubt war, den Titel zu holen.

Es gibt noch weitere kleinere und größere Episoden, die nicht astrein waren.
Vollkommen unsportlich war Ferrari seit jeher im Umgang mit Teamkollegen von „Schumi“ … diese waren zum Platz machen verdammt, wenn Schumacher hinter ihnen lag. Da kann der Kerpener aber nichts für, aber es zerstört ein wenig den Glanz.

Aber „so als privater Typ“ finde ich viele seiner Auftritte und Ansichten gut, sympathisch, glaubwürdig und bodenständig.
 

*** Mensch Schumi – Das Comeback ***

Wer könnte es kompetenten Journalisten und Fotografen verdenken, dass es sich beim Comeback eines Schumachers in die Formel 1 wirklich lohnt – auch finanziell – einen Bildband auf den Büchermarkt zu werfen !!! Nein, keiner, denn Angebot und Nachfrage regieren nunmal. Und für viele seiner Fans wird es eine wunderbare Nachricht gewesen sein, dass er wieder ins Cockpit steigt. Dann steltt sich nur die Frage, ob Brümmer/KrälingKräling nur den „schnellen Euro“ machen wollten, oder ob sie Qualität abliefern. Und, ja, das Letztere tun sie zum Glück ohne Wenn und Aber.

Daten zum Bildband:
Autoren und Fotografen: Elmar Brümmer, Bodo und Ferdi Kräling
Gebundene Ausgabe: 144 Seiten
Auflage: 2. Auflage
Verlag: Delius Klasing (März 2010)
Sprache: Deutsch
Preis: 29,95 Euro
 

*** Der Bildband ***

Das Autorenteam setzt bei der Veröffentlichung voll auf die Begeisterung von Fans, dass „ihr Schumi“ wieder Formel 1 ab 2010 fahren wird. Klasse Bilder, schöne Texte, eine fotografische Reise durch die motorsportlichen Stationen und einen Tick „privater Schumi“ runden den Bildband ab.

Die großformatigen Fotos auf hochwertigem Papier bieten aus den Tagen bei Mercedes ab 2010 bereits einen Einblick, wie gut ihm „silber“ steht. Ja, eigentlich viel besser als ferrari-rot. Denn Schumacher muss niemandem mehr etwas beweisen, und der Anteil der Fotos und der Texte, die die neue Epoche „Rücktritt vom Rücktritt“ einleiteten, zeigt einen humorvollen, verschmitzten, fröhlichen und ohne Druck agierenden Michael Schumacher.
Letzteres ist deshalb so erwähnenswert, weil das legendäre italienische Team Ferrari und die gnadenlos euphorischen und kurz danach bei Mißerfolg hämischen Italiener es seit Jahrzehnten schaffen, Piloten im roten Renner mit dem springenden Cavallo im Emblem einem enormen Druck auszusetzen. Unsympathische Auftritte Schumachers waren im Grunde auch nie VOR und auch nicht NACH der Zeit bei Ferrari, sondern währenddessen. Davon war ab der Rückkehr ins Cockpit nach einer mehrjährigen Auszeit nichts mehr zu merken.

Ein Großteil der Texte und der Bilder ist dennoch der Karriere des Michael Schumacher vor dem Comeback gewidmet. Manches weniger bekannte Foto zeigt Schumacher – teils mit Bruder Ralf – beim Wettbewerb in Nachwuchsserien und im Kartsport. Auch der steile Aufstieg in der Formel 1 vor der Phase Ferrari hat einen würdigen Platz gefunden, wobei der Betrachter mit Grinsen feststellt „ach ja, der Overall war ja nicht immer rot, der war auch vorher mal knallig-gelb!“. Diese Jahre des sportlichen Werdeganges von Schumacher setzen die Autoren brillant in Szene.

Auch manche „Liebelei“ wie das enge und vertraute Verhältnis zwischen dem langjährigen Ferrari-Chef Jean Todt erklärt sich in Worten und Bildern, aber mehr als nur Liebelei – so ist auch Schumis Corinna im Bildband zugegen - ist das, was man als Leser zum privaten Schumacher dem Werk entnimmt.

Und dieses private Kapitel ist womöglich sogar das Schönste des Bildbandes. „Seine“ Corinna wurde fotografisch selten, aber umso charmanter und hübsch digital eingefangen. Ein Bild gefällt, unter anderem, da es wie gelebte Harmonie aussieht. Oder Schumacher selbst, privat in alten Gassen mit einem Baguette unterm Arm vom Bäcker Richtung Familie zum Frühstück unterwegs, zeigt sehr herzliche Züge und man stellt beruhigt fest: sympathisch sein hat er BEI und DURCH Ferrari zum Glück nicht verloren.

Und somit gelingt es den Autoren auch, das Comeback des Michael Schumacher als lang ersehnt bei Fans und gut für den Motorsport zu „verkaufen“. Aber dies tun sie nicht nur „kommerziell“, sondern auch mit sehr guten Bildern und Texten. Und sie haben natürlich Recht mit dem Schüren der Begeisterung, auch wenn die Erfolge in den Jahren danach beim Comeback auf Sparflamme blieben.

Dennoch war es die vielleicht sympathischste Schumacher-Zeit in der Formel 1: wie noch zu Beginn seiner Karriere bei Benetton musste er 2010 niemandem mehr etwas beweisen, und er musste nun bei Mercedes auch nicht wie in den vielen Jahren bei Ferrari den ungeheuren Druck ertragen, den dieser Sportwagenhersteller und selbst italienische Fans auf die Fahrer seit Jahrzehnten ausüben … nicht zu vergessen die ungemein brutale und unfaire italienische Presse, wenn bei Ferrari das Auto, das ganze Team oder einer der Fahrer patzt. 
 

*** Fazit ***

Ein Bildband über Michael Schumacher entfacht sicher viele Erwartungen bei seinen Fans. Diese scheinen mir tatsächlich voll und ganz erfüllt. Als Leser und Betrachter, der den „Rennfahrer“ Schumacher verschiedentlich mit Kopfschütteln betrachtet, kommt der Bildband bei mir trotzdem verdammt gut an. Das liegt weniger am Protagonisten Schumacher, sondern an diesem brillanten Team Brümmer/Kräling/Kräling als Autoren und Fotografen. Die haben „geliefert“ und in Schulnoten bleibt eine „zwei plus“ als finales Wort.

Jean-Louis Glineur