Rezension

Obwohl meine Erwartungen ganz anders waren, hatte ich ein paar tolle Stunden mit diesem Roman

Schöne Ruinen - Jess Walter

Schöne Ruinen
von Jess Walter

Eine Geschichte, die weit in der Vergangenheit liegt und niemanden loslässt.
Nach dem Tod seines Vaters kehrt Pasquale Florenz und seiner großen Liebe den Rücken, um das familieneigene Hotel in Porto Vergona, einem kleinen Fischerort inmitten unzugänglicher Klippen im beschaulichen Italien der Sechziger Jahre, weiterzuführen. Doch der junge Hotelier hat einen Traum. Er will aus dem kleinen Fischerdorf einen glamourösen Ferienort schaffen, der wohlhabende Gäste aus aller Welt anziehen soll. Um seinen Traum zu verwirklichen, steht Pasquale in jeder freien Minute in der Brandung, um einen Strand anzulegen oder plant, wie er in die mächtigen Felsen ein Plateau für einen Tennisplatz sprengen kann. Von den wenigen Einheimischen erntet er dafür viel Spott und Hohn – bis eines Tages tatsächlich eine amerikanische Touristin in dem Hotel des jungen Träumers absteigt.

Bei der Amerikanerin handelt es sich um die aufstrebende Schauspielerin Dee Moray. Eigentlich sollte sie Teil der Besetzung des epischen Dramas Cleopatra sein, doch das Schicksal wollte es anders, denn der herbeigezogene Arzt hat bei ihr eine schwere Krankheit diagnostiziert. So reist sie in das verschlafene Örtchen, um Kraft und Energie zu tanken. Mit jeder Sekunde, die sie Pasquales Nähe verbringt, zieht sie ihn mehr in ihren Bann. Der junge Italiener ist verzaubert von der außergewöhnlichen Schönheit der Amerikanerin sowie von dem Hauch Glamour, der sie umgibt. Doch Pasquale muss schnell merken, dass Hollywood nicht nur goldene Seiten hat, sondern auch viele tiefe Abgründe.

Viele Puzzlestücke ergeben ein Bild.
Die Handlung des Romans spielt abwechselnd im Italien der Vergangenheit und dem Hollywood der Gegenwart. Jess Walter verwebt in Schöne Ruinen mehrere Handlungsstränge verschiedener Zeiten und Charaktere zu einem Roman, der seine Leser nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Die Charaktere sind ebenso wie die Orte liebevoll ausgearbeitet und tiefgründig. Sie gehen mit Ecken und Kanten durchs Leben und werden auch im Verlauf der Handlung von ebendiesem gezeichnet. Anders als in klischeehaften Liebesromanen ist das Ende dieser Geschichte dank unzähliger Intrigen, Irrwege, aber auch kleiner Hoffnungsschimmer nicht vorhersehbar.

Doch Jess Walter hat mit seinem Roman Schöne Ruinen vielmehr als einen gewöhnlichen Liebesroman geschaffen. Er hat gleichzeitig ein reflektiertes Abbild der Medienlandschaft gezeigt. Noch immer wird weltweit ein Kult um die Filmindustrie geschaffen, durch den Hollywood glorifiziert sowie Schauspieler und Regisseure vergöttert werden. In Jess Walters Roman findet ebendieser nicht statt. Beim Lesen schaffte er es stattdessen, meine Emotionen zu wecken und mich zum Nachdenken zu bringen. Welche Chancen verpasste ich vielleicht bereits im Leben? Traf ich bisher immer die richtigen Entscheidungen?

“‘Dee … Moray’, las Pasquale laut. Der Name war ihm nicht bekannt, aber es gab so viele amerikanische Filmstars – Rock, Hudson, Marilyn Monroe, John Wayne –, und sobald er glaubte, alle zu kennen, wurde ein neuer berühmt, fast als gäbe es in Amerika eine Fabrik, in der diese riesigen Leinwandgesichter hergestellt wurden.” – Seite 23 –

Meine Meinung zu diesem Roman lässt sich in diesem Fall sehr schwer ausdrücken. So sehr ich die Handlung mochte, hat mir das Ende doch wenig zugesagt. Schließlich kann ich wohl trotzdem einfach abschließend behaupten, dass mich lange kein Roman mehr derartig zum Nachdenken brachte. Ich habe einen leichten Sommerroman erwartet und schließlich über meinen Lebensweg, meine Träume und meine Chancen nachgedacht – und das ist wohl am Ende, was zählt.