Rezension

Och nee

Unsere wunderbaren Jahre, 2 MP3-CDs - Peter Prange

Unsere wunderbaren Jahre, 2 MP3-CDs
von Peter Prange

Bewertet mit 0.5 Sternen

Dieses gekürzte Hörbuch fand ich zu lang, zu langweilig, die Protagonisten waren mir meistens egal, es gab Widersprüche, etliche Sätze waren schlicht Kitsch (passten aber nicht zum Rest, der sehr trocken war), vieles wirkte verklemmt. Ohne eine Challenge hätte ich nach 2 Stunden abgebrochen.

Kitsch? „Doch erst, als ihre Münder sich fanden, wusste er, dass sie wirklich und leibhaftig da war.“ (17 h 30 min) „Mit einem Seufzer, der die Wahrheit war, nichts als die Wahrheit…“ (10:17)
Verklemmt? „Statt einer Antwort nickte sie nur und berührte ihn dort, wo er es am liebsten hatte.“ Und selten hat jemanden so herumgeeiert zum Thema Homosexualität, Abtreibung, Entjungferung („in diesem Raum hatte er sie zur Frau gemacht, sie nannte ihn dann Palast“)
Unfreiwillig komisch? Eine Frau heiratet zum zweiten Male – ihr erster Mann war Pfarrer. Es hieß im Text zur ersten Hochzeit „vor den Altar treten“ – und jetzt, bei der zweiten Hochzeit, heißt es, sie hätte es sich nie träumen lassen, einmal kirchlich zu heiraten??? Und, noch besser, sie hatte sich gar ein zweites Brautkleid gekauft, obwohl das erste nur einmal getragen im Schrank hing. Ah ja.

Das Buch illustriert die jüngere Geschichte Deutschlands zwischen den beiden Währungsreformen – von der Einführung der D-Mark zum 20. Juni 1948 bis zu deren „Ende“ mit Einführung des Euro zum 1. Januar 2002 – anhand des Lebens mehrerer Protagonisten und dem ihrer Nachkommen. Leider wirkt es überzogen, wie stark deren Leben über 50 Jahre immer wieder verwoben ist (wir hätten alle 12 Finger, wenn das überall wirklich so abliefe) – und die Charaktere geraten eher zu Stichwortgebern für die abgespulte Geschichte. Sonst gefällt mir so ein Konzept – Geschichte anhand von Hauptpersonen, hier waren mir diese erst nach 10 von über 18 Stunden nicht mehr völlig schnurz, generell blieben sie mir zu sehr Klischee (die rebellische Tochter zum Beispiel). Eingeführte Personen wurden oft nur in großen Sprüngen besucht – gefühlt, weil der Autor dazwischen keine geschichtlich wichtigen Ereignisse darstellen konnte. Dazu wechselt die Perspektive alle paar Sätze zwischen extrem vielen Personen, alle mit Innensicht, alle seltsam flach.

Kurios: Prange führt sich selbst ein – den Charakter Peter Prange, der Autor wird und eine Idee für eine Geschichte hat: „Er hatte…die ungute Gewissheit, dass aus der abstrakten Idee eine entsetzlich abstrakte Geschichte werden würde, wenn er keinen konkreten Ort und keine Figuren dafür vor Augen hatte.“ (ca. 17:00). Ja, ich FAND die Geschichte entsetzlich abstrakt, trotz konkretem Ort Altena im Sauerland, Herkunftsort aller.

Abschnitte enden gerne mit Cliffhanger: „oder gibt es etwas, was ich nicht weiß?“ sagt Jürgen Rühling zu seiner Frau. Diese Winke mit dem gesamten Zaun sind so häufig und werden teils so spät oder so schrittweise aufgelöst, dass es mich nervte. Dazu soll Gesamt-Deutschland abgebildet werden, der Autor wirkt hier NOCH theoretischer (ich BIN „Wessi“ mit „Ossi“-Ehemann), behandelt bis kurz vor deren Ende die DDR nur sehr streifend, dafür schön die Sicht auf die „armen Brüder und Schwestern“. Da doziert der DDR-Bürger fast fortwährend über die Errungenschaften des Sozialismus – die Sorte Familie gab es sicher, doch kaum so häufig. Während der Preisung der Sowjetunion kann es sich der Autor nicht verkneifen, auf die Demontagen durch die Sowjetarmee als Widerspruch dazu hinzuweisen. Bei ähnlichen Themen im Westen (z.B. Nazi-Vergangenheit einiger) traut es der Autor hingegen dem Leser zu, das von selbst zu wissen – also Überschrift: von einem Autor der alten Bundesrepublik geschrieben für Bürger der alten Bundesrepublik? Ach, und gerne nutzt er „BRD“ auch als Slogan der West-Bürger – das war aber bis zur Vereinigung etwas, das z.B. in Schulaufsätzen im Westen angestrichen wurde – verpönt als DDR-Jargon (ja, lieber Rezi-Leser, so etwas gab es auf beiden Seiten).

Helmut Zierl liest anständig, auch englischsprachige Anteile und Deutsch mit fremdsprachigem Akzent, aber ich merke, direkt vorher einen Sprecher gehört zu haben, der grandios unterschiedlichen Personen unterscheidbare Stimmen geben kann, Männern wie Frauen (Dietmar Wunder). Zierl variiert bei Akzenten, sonst sind die Unterschiede gering – unterbricht man außerhalb von Kapiteln, ist das schwierig. Seine Stimme ist weder schlecht noch unangenehm, nur mir leider zu wenig besonders. Ja, ich bin hier gerade tatsächlich verwöhnt – und vorher hatte ich nie den Sinn der Frage nach Lieblingssprechern verstanden. Ich kaufe jetzt keine Liebesschnulze, nur weil Wunder sie liest oder Deutschmann oder eine der Thalbachs, aber ich werde jetzt IMMER Hörproben nutzen, selbst wenn ich das Buch definitiv will.

 

Mein bisheriger Flop des Jahres. 1/2 Stern.