Rezension

Ökothriller voller Widersprüche

Das Eis - Laline Paull

Das Eis
von Laline Paull

Bewertet mit 2 Sternen

Laline Paull hat ein Luxusproblem. Was soll jemand nachlegen, dem mit seinem Debüt schon der ganz große Wurf gelungen ist? Man kann „Die Bienen“ nicht toppen, das Buch ist einzig. 
Dann kommt „Eis“ daher und man fragt sich, führt sie uns jetzt, genau wie Maja Lunde, durch ökologisch bedrohte Gebiete? Das wird wohl die Grundidee gewesen sein. Sie schreibt noch immer schön und plastisch, nur mit der Geschichte habe ich mich schwer getan.

Wir sind in der Arktis, wo Sean Cawson die Midgard-Lodges errichtet hat, ein Luxus-Domizil, wo die Reichen und Schönen einen exotischen Urlaub verbringen können, Sean eine Menge Geld verdient und nebenher einflussreiche Menschen für die Schönheit der Natur und den ökologischen Gedanken sensibilisiert werden sollen. Dabei unterstützte ihn sein Freund, der Umweltaktivist Tom Harding. 
Da liegt der Fehler doch schon im System. Es setzt jemand ein Luxushotel in die unberührte Natur, um die Natur zu schützen? Der Umweltaktivist, dessen Rolle in dem ganzen Szenario schwammig bleibt, isst kein Walfleisch, aber sie halten Pelzmäntel jeder Couleur für die Gäste bereit? Das ganze Buch über habe ich versucht, mir ein Bild von Sean zu machen, dessen Geschichte in Rückblenden beleuchtet wird. Man bekommt ihn nicht zu fassen. Wer ist dieser Mann? Ein Selfmade-Millionär, der sich seit seiner Studienzeit von einem Gönner protegieren ließ, der für die Arktis brennt und dabei auch die finanziellen Möglichkeiten im Blick hat, die diese Gegend bietet?

Tom kam bei einem Unfall in einer Eishöhle ums Leben. Als nach drei Jahren endlich seine Leiche auftaucht, wird dieser Todesfall gerichtlich untersucht. Alle Menschen, die damals am Midgard Fjord waren, werden befragt und erzählen die Ereignisse aus ihrer Sicht. Niemand geht von einem Verbrechen aus, aber Sean, der Tom als Letzter gesehen hat, zieht einen Anwalt hinzu. Steht er doch vor Gericht? Und warum musste man für diese Untersuchung drei Jahre lang warten? Toms Leiche gibt keinerlei Aufschluss. Wäre es nicht logischer, den Unfall direkt zu untersuchen als er geschah? Ohne Leiche kein Unfall, selbst wenn Sean sah, wie Tom in der Eisspalte versank?

Ich könnte noch lange so weiter machen. Dieses Buch ist unausgegoren, folgt einer losen Idee, verfängt sich aber andauernd in Widersprüchen.
Man weiß lange nicht, worum geht es überhaupt? Ein Verbrechen, das keines ist? Die Lebensgeschichte eines Mannes, den man sich nicht richtig vorstellen kann und der obendrein nur mäßig interessant ist? Rückblenden über Rückblenden erzählen von Seans und Toms gemeinsamer Vergangenheit. Wirklich Aufregendes passiert da nicht. 
Und dann erlebt man den Tag X aus der Sicht von einfach jedem, bis man meint, vor Langeweile umzukommen. 
Zum Ende hin bekommen wir doch noch ein bisschen Ökothriller. Da wird es kurzfristig ganz spannend, bis das personifizierte Böse auftritt, was dann auch wieder eins zu viel ist.

Von diesem Buch habe ich mir viel versprochen, sehe aber ein, dass man wohl geniale Ideen nur einmal haben kann. Frau Paull kann die Bienen nicht noch einmal schreiben. „Das Eis“ ist der gute Versuch einer Alternative, leider ein Fehlversuch.