Rezension

Ofelias Flucht vor dem Horror des spanischen Militärs

Das Labyrinth des Fauns
von Cornelia Funke Guillermo Del Toro

Bewertet mit 5 Sternen

"Das Labyrinth des Fauns" ist das Buch zum Film "Pans Labyrinth" (El Laberinto del Fauno) von Guillermo del Toro aus dem Jahr 2006, welches Cornelia Funke auf dessen Bitte hin verfasste. Entsprechend nah hält sich dieses Buch an das Original. Neu sind die von der Autorin erdachten Kapitel einer Legende, auf der Ofelias Geschichte basiert und die geschickt mit der Realität kombiniert werden.

Ofelia ist eine 13-jährige Schneiderstochter, deren verwitwete Mutter neu geheiratet hat und nun hochschwanger mit ihrer Tochter zu ihrem Gatten Capitan Vidal zu dessen aktuellen Einsatzort im Wald fährt. Dort hat es sich der Militäroffizier im franco-faschistischen Spanien des Jahres 1944 zum Ziel gemacht, die Gegner des Regimes auszurotten. Schnell erkennt Ofelia die Brutalität, welche ihrem neuen Stiefvater innewohnt. Vor dem Schrecken flüchtet Ofelia in eine Fantasiewelt, welche ihr völlig real scheint: Sie begegnet einem Faun, welcher ihr eröffnet, die lang verschollene Prinzessin der Unterwelt zu sein.

 

"Doch bevor Euch erlaubt wird, in sein Königreich zurückzukehren, müssen wir sicherstellen, dass Euer Wesen unverändert ist und Ihr nicht zu einer Sterblichen geworden seid." (Zitat S. 62/63)

 

Wie bereits erwähnt, hält sich das Buch sehr ans Original. Der Film ist ab 16, düster und brutal. Das Buch ist ab 14 und macht die Schrecken der Erwachsenen deutlich, ohne allzu übermäßig ins Detail zu gehen. Der meiste Horror geschieht im Kopf, vieles wird eher angedeutet, wobei das bekannte augenlose Monster im Buch sogar relativ harmlos wirkte.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht eines allwissenden Erzählers. Dadurch erhält man z. B. beim Lesen ein wenig Einblick in Vidals Charakter. Sehr schön ist auch die Legende des dortigen Ortes rund um das Labyrinth, welche auf mehrere Kaiptel verteilt im Buch vorkommt und durch einige Details die Erzählung wunderbar ergänzt.

 

"Wir alle erschaffen uns unsere eigenen Märchen." (Zitat S. 73)

 

Ofelias Abenteuer sind so geschickt in die Realität eingebettet, dass man nicht immer eindeutig sicher sein kann, wann sie vor dem Horror der Realität in ihre Fantasiewelt flüchtet und welche ihrer Erlebnisse real sind. Mehrere Male verschwimmen die Grenzen, um anschließend mit der gnadenlosen Brutalität der Wirklichkeit über einen hereinzufallen. Sehr schön haben mir auch die Erlebnisse der Erwachsenen gefallen, allen voran die der Widerstandkämpfer, welche in den Wäldern ums Überleben kämpfen und unter Vidals Augen verborgen heimlich Hilfe erhalten.

 

"Doch die Menschen hören nicht, was die Bäume sagen. Sie haben vergessen, wie man den Dingen der Wildnis lauscht" (Zitat S. 118)

 

Ihren Schreibstil hat die Autorin wunderbar der Erzählung angepasst. Mal ein wenig märchenhaft, mal auf eventuell drohende Ereignisse anspielend. Hin und wieder Andeutungen, dass Gegenstände magische Eigenschaften aus der Legende besitzen könnten. Die Wortwahl ist angemessen gewählt, auf lange Beschreibungen hat sie verzichtet, um nicht allzu lange auf der Stelle zu treten. Auf diese Weise geht es im Roman zügig voran. Und das Ende ist entsprechend gestaltet, dass jeder Leser für sich entscheiden kann, wo für ihn die Wahrheit von Ofelias Erlebnissen liegt.