Rezension

Oh mein Gott

GRM - Sibylle Berg

GRM
von Sibylle Berg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Aus verschiedenen Gründen gehören sie zu den Abgehängten und Abgeschobenen. Wenn die Sozialwohngebiete  Londons oder Manchesters urbanisiert werden, gibt es nur noch die Elendssiedlungen in Rochdale. Dort landen die vier Kinder oder Jugendlichen Karen, Hanna, Peter und Don(atella). Im Grunde sind sie es, die die Familien oder Restfamilien durchbringen, da die Erwachsenen sich als unfähig erweisen. Nicht immer einfach ist diese Aufgabe und erschwert wird es noch, durch das unsägliche Verhalten anderer sogenannter Erwachsener, die allem Anschein nach nichts Besseres zu tun haben, als ihre vermeintliche Machtposition gegenüber den Schwächeren auszunutzen.

 

In solch einer Welt möchte man wirklich nicht leben, man fragt sich allerdings, ob sie nicht schon da ist. Es herrscht eine Art Device-Gläubigkeit. Die Gefühle verrohen oder sind nicht mehr vorhanden. Die Regierung manipuliert in das Leben seines Volkes hinein. Die Hoffnungen nach dem Brexit sind enttäuscht. Es gab keine schöne neue Welt mit englischen Engländern in einem englischen Land. Die meisten Ausländer haben eh einen britischen Paß oder sind aus anderen Gründen noch da. Die Trennung zwischen Arm und Reich wird immer strenger. Die Armen werden immer weiter von Leistungen des Staates ausgegrenzt. Und nur wenige unter anderem unsere Vier versuchen, sich dem System entgegen zu stellen.

 

Puh, was für eine Tour de Force ist die Lektüre dieses Buches. Und man kann sich nicht damit herausreden, dass die Handlung in England angesiedelt ist. Die Schreihälse gewinnen nicht nur dort gegen alle Vernunft, auch hier bestehen die Tendenzen. Die Netzgesteuerten verschaffen die Macht und die, die aufgegeben haben fügen sich einfach in die Situation. Die Mächtigen entblöden sich nicht, nur nach ihrem eigenen Vorteil zu schielen. Nur mit Zähneknirschen ist das zu ertragen. Wo sind denn die halbwegs normalen Menschen, die zwar der Technik gegenüber nicht verschlossen, aber doch ihren Mitmenschen Empathie entgegen bringen. Mit einigen ausgesprochen geschickten Kniffen schafft es die Autorin, ihre Utopie rund zu machen. Dieser Roman verlangt einem einiges ab, ist aber jede Zeile wert.