Rezension

Ohne Biss

Der fünfte Tag - Jake Woodhouse

Der fünfte Tag
von Jake Woodhouse

Ich bin kein Fan von Verrissen. Ich mag sie nicht gern schreiben und noch seltener gern lesen. Das hat meist etwas mit dem Ton, mit Respekt und mit Selbstdarstellung zu tun, eine negative Kritik angemessen zu formulieren, ist eine Kunst. Und in Kunst war ich schon immer schlecht. Nur für Strichmännchen reicht es gerade mal so. Und so wird das hier also die Strichmännchen-Version eines Verrisses, ich nehme es mal mit Humor, denn meine Güte, von einem schlechten Buch geht die Welt nicht unter.

Schöner wird sie davon allerdings auch nicht. Wobei, der Unterhaltungsfaktor liegt ja dann zumindest darin, sich hinterher über die unbefriedigende Lektüre aufzuregen. Das behagt mir zwar meist auch nicht, denn was weiß ich schon, aber man gönnt sich ja sonst nix, also auf! Vorab noch die Bemerkung, dass es sich bei "Der fünfte Tag" um das Debüt des in London lebenden Autors Jake Woodhouse handelt. Welpenschutz gibt es bei mir für diesen Reihenauftakt aber keinen. 

Es ist der zweite Tag des neues Jahres, in Amsterdam ist es frostig und knackig kalt, da hängt eine nackte Leiche an einem Seilzug befestigt aus dem Fenster eines Wohnhauses. Mord? Komisch, wundert sich da schon der Kommissar, könnte ja auch Selbsttötung sein, aber wozu sich dann vorher extra ausziehen, und das bei der Kälte! Nun war ja aber auch das Fenster geschlossen, was ja richtig ist, bei der Kälte! Aber das kann der Erhängte ja schlecht selbst gemacht haben, so am Seilzug baumelnd. Also doch Mord! Während der geübte Krimileser den Fall schon nach wenigen Minuten so gut wie gelöst hat (Eine nackte Leichte! Aha! Also ein sexuell motiviertes Verbrechen! Und ein Handy im Mund des Opfers mit nur drei Telefonnummern im Speicher, na da will uns der Mörder wohl einen Hinweis geben! ), stehen Inspektor Jaap Rykel und seine Kollegen von der Amsterdamer Mordkommission vor einem Rätsel und erproben sich in Ermittlungsarbeit, die einem stellenweise irgendwie arg laienhaft erscheint. Hoffentlich ermitteln die nicht mal im Falle meines Ablebens, denkt man sich noch. Zeitgleich werden außerhalb Amsterdams die Leichen eines Ehepaares in einem niedergebrannten Bauernhaus entdeckt und ein kleines Mädchen, das offenbar bei dem Ehepaar lebte, ist verschwunden. Die junge Kommissarin Tanya van der Mark beginnt Nachforschungen anzustellen, die sie bald nach Amsterdam zum Kollegen Jaap Rykel führen.

Was dann folgt, ist, und das klingt jetzt hart, aber mir fällt nichts freundlicheres dazu ein, der uninspirierteste und unfundierteste Thriller, den ich seit langer Zeit gelesen habe. Uninspiriert, weil hier richtig tief in die Krimiklischeekiste gegriffen wurde, und das so wahllos, dass es auf mich wirkte, als würde man nur die Idee, wie ein Thriller sein müsste, nachahmen. Und unfundiert, weil stellenweise die Polizeiarbeit so hanebüchen unprofessionell anmutete, dass ich die Handlung schon kaum noch als glaubwürdig empfinden konnte. Es muss ja gar nicht immer haarscharf an der Realität dran sein, dafür ist es ja Fikton, aber wenn in einem Roman die Protagonisten ein Team von Ermittlern stellen und die Handlung zu 95 Prozent aus Ermittlungsarbeit entsteht, erwarte ich eine gewisse Authentizität, eine gewisse Atmosphäre, die ja nicht mal unbedingt exakt die Wirklichkeit abbilden muss, mir aber zumindest das Gefühl vermitteln sollte, plausibel zu sein. Ein stimmiges Bild eben, und das ist hier nicht enstanden. In einem Interview auf der Verlagshomepage von Random House kann man derweil auch nachlesen, dass Recherche nicht zu den liebsten Beschäftigungen des Autors gehört und er der Ansicht ist, dass zu viel Recherche "einer guten Geschichte, in deren Mittelpunkt letztlich immer Menschen stehen, allzu leicht in die Quere kommen" kann. (Quelle: Interview vom Verlag Page & Turner mit Jake Woodhouse)

Ja, naja, wenn man mit kongenialen Charakteren aufwarten könnte, würde dies sicherlich über Unstimmigkeiten in der Handlung hinwegtrösten. Wie gesagt, wenn man damit aufwarten könnte. Aber die Figurenzeichnung bietet nichts dergleichen, hier wurde einfach alles untergebracht, was machbar ist, auch dies wirkt regelrecht wahllos. Kommissare mit Drogenproblemen, männliche Vorgesetzte, die weibliche Kommissarinnen gängeln, Schusswechsel im Dienst mit traumatischen Folgen, korrupte Kollegen, Dienststellenleiter, die mehr Politik als Verbrechensbekämpfung im Kopf haben, der Hauptermittler braucht dazu natürlich noch eine kleine Extravaganz und da Klavierspieler und Gourmetkoch schon vergeben waren, wirft dieser hier I Ging-Münzen, das hat er nämlich während eines Aufenthaltes in einem buddhistischen Kloster gelernt. Kurzum, die Figuren und ihre Biografien bieten wenig überraschendes und sind so abgedroschen, dass sie weder schockieren noch berühren. Da kommt einfach nichts rüber.

Fazit: Auf der Homepage des Autors kann man die nette Anekdote lesen, dass ihm einst im Krankenhaus nach einer OP eine Krankenschwester sagte, mit diesem Namen sollte er Thriller schreiben. Und offenbar haben wir es eben dieser Krankenschwester zu verdanken, dass nun von dem ehemaligen Winzer, Weinhändler, Musiker und Instrumentenbauer Jake Woodhouse sein erster Schreibversuch vorliegt. Und Versuch macht bekanntlich klug, sagt man. Mich hat dieser Versuch insofern voran gebracht, als dass ich vorläufig erstmal die Finger von diesen immer gleichen, zurechtgestylten und durchchoreografierten, weichgespülten Thrillern lasse. Es ist quasi wie die Boygroup-Version eines Thrillers. Und damit eher etwas für Gelegenheitsleser und weniger etwas für routinierte Konsumenten dieses Genres.

Bewertung: 35,6 %
Stil: 3/5 | Idee: 2/5 | Umsetzung: 1/5 | Figuren: 1/5 | Plot-Entwicklung: 2/5
Tempo: 2/5 | Tiefe: 2/5 | Komplexität: 2/5 | Lesespaß: 1/5

 

Rezension von

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