Rezension

Ohne Cassie

Bis die Zeit verschwimmt - Svenja K. Buchner

Bis die Zeit verschwimmt
von Svenja K. Buchner

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Buch welches sich mit einer Jugendfreundschaft auseinandersetzt die ein jähes Ende findet. Wie soll man danach einfach so weitermachen? Geht das überhaupt? Wen trifft die Schuld? Werde ich je wieder glücklich sein? Unglaublich bewegend.

Helene ist alleine. Ohne ihre beste Freundin Cassie. Das Leben von Cassie wurde durch einen Amoklauf an der Schule beendet. Während Helene älter wird, wird Cassie immer 15 bleiben. Ist das fair? Helene hat ihre ganz eigene Art zu trauern und kann ihre Freundin nicht ziehen lassen, sie muss wissen, warum Cassie. Und sie muss lernen, mit ihrer Trauer, der Wut und der Rache umgehen zu können.

„Aber das macht mir nichts aus, da ich der Überzeugung bin, dass die meisten Menschen nach meiner Definition überhaupt keine Freunde haben, sondern nur flüchtige Begegnungen für bestimme Lebensabschnitte, die ihnen dabei helfen, eine Zeit lang das Bild des eigenen Lebens weiterzuzeichnen, um dann zu verschwinden, ohne auch nur den Ansatz einer Signatur zu hinterlassen. Sie kommen und gehen, und was bleibt, sind mehr oder minder liebevoll gemalte Striche auf dem Gemälde eines anderen, doch diese gehen unter mit den Jahren, und ihre Urheber werden alle gleichermaßen vergessen, was auf der einen Seite traurig ist, auf der anderen Seite aber zu selbstverständlich, als das sie die Traurigkeit dieses Aspekts je bemerken würden.“ (Seite 11)

Bei diesem Buch sollte man die Taschentücher immer in Reichweite haben, ich war das ein oder andere Mal schwer am schniefen und hatte Tränen in den Augen.

Helene und Cassie könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Cassie eher strenger erzogen aufwächst ist bei Helene alles etwas lockerer. Auch ist Cassie in dieser Freundschaft mehr das Mädchen mit schönen Kleiden, dem Wunsch nach dem ersten Kuss und Freund, Interesse an Kosmetik und schönen Dingen.

Helene ist wohl eher die Feministin, sie kann mit Jungs, schönen Kleidern, Kosmetik und dergleichen gar nichts anfangen. Sie ist ehrlich, sehr direkt, manchmal laut, aber doch sind Cassie und sie unzertrennlich.

Indem dem die Autorin diese unterschiedlichen Mädchen beschreibt, die gemeinsam mit ihrem Freund Erik eine Clique sind, passiert das Unfassbare. Es gibt einen Amoklauf an der Schule und Cassie gehört zu den Opfern.

Ich kann der Autorin nur meine Begeisterung zu ihrem Schreibstil aussprechen denn sie trifft den Ton dieser Geschichte optimal.  Sie zieht einen mit in diese Geschichte, in diese schöne Freundschaft, die man in seiner Jugendzeit wohl auch hatte und wirft einen doch so durcheinander mit den ganzen Ereignissen. Und ja, es schmerzt, denn die Beschreibungen von Cassie und Helene sind herrlich, ehrlich, authentisch und mit den Höhen und Tiefen einer Freundschaft, mit den Hoffnungen und Ängsten.

Wie geht man nach so einem Amoklauf mit sich um, mit dem Verlust, mit der Suche nach dem „Warum“?

Die Autorin gibt immer wieder Rückblicke in die Freundschaft von Cassie und Helene, beschreibt ihr Band und ihre Zeit, dann switcht man wieder in die Gegenwart und bekommt mit wie Helene mit diesem „Warum“ so stark zu kämpfen hat. Hier wird nicht der erhobene Zeigefinger gehalten oder auf dem Opfer „herumgehackt“, sondern das Augenmerk liegt alleine auf Helene und auf einer beliebigen Person die durch diesen Amoklauf so viel verloren hat.

Mit welchen Gefühlen haben Überlebende zu kämpfen, wie können sie an ein „altes“ Leben anknüpfen, geht das überhaupt? Und darf Helene weiterleben, sich neue Freunde suchen, einen Freund haben den auch Cassie toll fand? Wird die Wut, die Trauer, die Gewissensbisse irgendwann weniger?

Ich persönlich bin von diesem Buch unheimlich stark angetan denn die Autorin verbindet eine so schwer Thematik so gekonnt mit einer Freudschaft die für immer ausgelegt war. Und was junge Menschen, die gerade auf dem Weg zum Erwachsensein sind, nochmals für Gefühlsfacetten erleben müssen nach so einer Tat.

Ich kann dieses Buch nur jedem ans Herz legen.