Rezension

“Orchester haben keinen eigenen Klang, den macht der Dirigent.” (Herbert von Karajan)

Die Dirigentin - Maria Peters

Die Dirigentin
von Maria Peters

Bewertet mit 4 Sternen

1926 New York. Die im Jahr 1902 geborene Antonia Brico wusste lange nicht, dass sie adoptiert wurde. Unter dem Namen Wilhelmine Wolters wächst sie in armen Verhältnissen auf, muss ihren kargen Verdienst, den sie mit Sekretariatsarbeiten und als Platzanweiserin im Konzerthaus verdient, fast gänzlich an die Eltern abgeben. Auf dem alten Klavier, dass ihr Vater vom Müll mit nach Hause gebracht hat, stimmt sie nicht nur eigenhändig das Klavier, sondern bringt sich selbst auch das Spielen bei. Antonia liebt und lebt für die Musik, träumt von einer Karriere als Dirigentin, doch die Zeit ist nicht ihr Freund, denn nicht Frauen, sondern Männern bleibt es vorbehalten, einem Orchester vorzustehen. Antonia jedoch besitzt einen eisernen Willen, versagt sich vieles und kämpft oft genug gegen Windmühlen, um am Ende selbst die Initiative zu ergreifen und ein eigenes Frauenorchester zu gründen. Doch ist es ihr später gelungen, diverse Orchester zu dirigieren, wobei ihr der Vorstand eines berühmten Orchesters immer versagt blieb.

Maria Peters hat mit „Die Dirigentin“ einen interessanten, teils biografischen teils fiktiven historischen Roman vorgelegt, der einen Auszug aus dem Leben der Dirigentin Antonia Brico darstellt, wobei auch das der damaligen Zeit entsprechende Frauenbild in der Gesellschaft sehr gut widergespiegelt wird. Über drei Perspektiven lernt der Leser Antonia kennen: aus ihrer Sicht, aus der ihrer großen Liebe Frank und aus der ihres engen Freundes Robin. Der flüssige und bildhafte Schreibstil gewährt dem Leser schnell Einlass in Antonias Welt, die schon als Kind von der Lieblosigkeit der Mutter und einem meist abwesenden Vater geprägt war, wodurch sich bereits eine gewisse Zähigkeit und Stärke in ihrem Charakter manifestierte. Die damalige gesellschaftliche Haltung tat ein Übriges, denn Frauen galten grundsätzlich für gehobene Berufe und Karrieren als nicht geeignet. Obwohl Brico ein Studium absolvierte, war das in den Augen der Gesellschaft nicht ausreichend, um als Frau beruflich voranzukommen. Der Leser ist nicht nur erschüttert, wie ignorant das Umfeld auf eine herausragende Begabung reagiert, sondern gewinnt mehr und mehr Respekt gegenüber Brico, die sich trotz aller ihr in den Weg gelegten Hindernisse am Ende durchsetzt. Die Autorin hat geschichtlich belegte Fakten mit Fiktion sehr gut miteinander verflochten, um gleichzeitig mit ihrer Geschichte Brico ein Denkmal zu setzen. Frauen wie Brico haben uns den Weg geebnet, damit Frauen heutzutage beruflich alles erreichen können. Hier sei allerdings angemerkt, dass sich in punkto Orchesterleitung bis heute das Bild nicht sehr verändert hat, diese Domäne ist immer noch fast ausschließlich männlich besetzt.

Charakterlich bietet Antonia Brico das Bild einer stetig kämpfenden Frau, die sich jedem Hindernis mit Mut, Stärke und Entschlossenheit stellt. Sie denkt für ihre Zeit sehr modern, lässt sich nicht in eine Form pressen und bleibt dabei für den Leser nicht nur ausgesprochen sympathisch, sondern auch eine Person, der man Respekt und Anerkennung dafür zollt, wie sie ihre Träume vorangetrieben und was sie alles erreicht hat. Dieser Eindruck wird auch durch die Perspektiven von Robin und Frank noch verstärkt.

„Die Dirigentin“ ist ein eindrucksvoller Roman über eine außergewöhnliche Frau, der man mehr Beachtung hätte schenken sollen. Verdiente Leseempfehlung für alle, die gern Bücher über historisch belegte Personen lesen, deren Wirken die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit mit vorangetrieben haben.