Rezension

Originell, skurril und very british - der erste Fall für den Vinyldetektiv!

Murder Swing - Andrew Cartmel

Murder Swing
von Andrew Cartmel

Bewertet mit 5 Sternen

Er ist ein Vinyl-Experte, Spezialist in Sachen Jazz, und sammelt seltene Platten, die er billig kauft und verkauft. Damit wird er nicht reich, kann sich aber einigermaßen über Wasser halten. Eine seiner aus einer (Alkohol-)Laune heraus willkürlich verteilten Visitenkarten beschert ihm als „Vinyldetektiv“ unverhofft einen ersten Auftrag: Für einen geheimnisvollen Auftraggeber soll er eine seltene Jazzplatte finden. Zusammen mit der schönen und geheimnisvollen Nevada Warren, seiner Kontaktperson, fahndet er also in Plattenläden, auf Plattenbörsen und Flohmärkten nach dem guten Stück. Dabei häufen sich mysteriöse Todesfälle, die beiden werden verfolgt, und mehr als einmal kommt den beiden ein mehr als merkwürdiges Pärchen in die Quere, das sie „die arischen Zwillinge“ taufen. Diese erweisen sich als skrupellos und zu allem bereit. Der Vinyldetektiv kann schließlich nicht ahnen, dass er einem großen Geheimnis auf der Spur ist und dass ihn dieser Auftrag nach Japan und Los Angeles bringen und ihm alles an Spürsinn und Verstand abverlangen wird...

Originell, skurril, spannend, geistreich – einen Vinyldetektiv gab es meines Erachtens tatsächlich noch nie! Umso erstaunlicher, wie der Autor es schafft, diese beiden Themen zu verknüpfen und aus einem Platten sammelnden Freak einen echten Detektiv zu machen, und damit meine ich nicht nur die Suche nach der Platte, sondern die Suche nach den wahren Hintergründen. Der Vinyldetektiv ist Hauptfigur und Ermittler, aus seiner Perspektive wird die Geschichte in der ich-Form erzählt, auf ihn fokussiert sich alles und von seinem Innenleben erfährt man am meisten – und doch bleibt er interessanterweise die ganze Zeit über namenlos, er bekommt allenfalls Spitznamen. Er ist ein exzellenter Beobachter und sehr gut im schlussfolgern, der Leser weiß immer so viel wie er selbst und kann so wunderbar mit ermitteln. Und so karg die Informationen über ihn sind (er ist zumindest groß und schlaksig und liebt guten Kaffee und seine Katzen), so erfährt der Leser doch genug, um ihm durchs ganze Buch hinweg die Treue zu halten, mit zu fiebern und sich mit ihm zu identifizieren. Doch auch die anderen Charaktere sind durch die Bank weg wunderbar, allen voran Nevada und Tinkler, meine beiden Lieblingsfiguren neben dem Detektiv. Tinkler ist einfach ein herrlicher Nerd, liebenswert und bester Freund des Detektiv. Nevada ist schön und hochintelligent und verdient viel Geld – das ist beängstigend und macht sie nicht auf den ersten Blick sympathisch, aber sie verfügt außerdem über einen ironischen Humor, was sie mit dem Detektiv gemeinsam hat, ist offensichtlich ein großer Katzenfan wie er und ist neugierig und offen für Neues und sich nicht zu schade, sich auf für sie ungewohntes Terrain zu begeben, zum Beispiel Flohmärkte und Second-Hand Läden. Außerdem ist sie tough und mutig und rettet den Vinyldetektiv mehrfach aus bösen Klemmen, auch wenn sie besonders in Teil zwei etwas undurchsichtig ist. Mir gefielen aber auch die anderen Frauenfiguren wie Clean Head und Ree – ebenfalls interessante und starke Persönlichkeiten. Die Dialoge zwischen dem Detektiv und Tinkler und zwischen ihm und Nevada sind einfach köstlich und entlockten mir mehr als einmal ein herzhaftes Lachen, und sehr lustig sind auch Szenen mit Stinky, der mehr und mehr zum Running Gag wird.

Formal ist die Geschichte ganz nach Vinyl-Art in A-Seite und B-Seite unterteilt und diese wiederum in einzelne, mit passenden Überschriften versehene Kapitel. Die A-Seite umfasst den Teil des Auftrags von Nevada, der hier auch abgeschlossen wird, die B-Seite den Auftrag von Ree. Beide ergeben das „große Ganze“. Dabei ist es kein klassischer Krimi und die Bezeichnung „Thriller“ halte ich für gänzlich unpassend. Schade, dass man auf dem – übrigens sehr gelungenen – Cover nicht wie im englischen Original den Untertitel verwendet und eine Genre-Bezeichnung einfach weggelassen hat. Besonders in Teil A ist es eher ein Wohlfühl-Krimi, die Protagonisten befinden sich zum größten Teil auf der Suche nach der Platte. Hier wird auch viel gefachsimpelt, wer also keine Ahnung und kein Interesse an Musik hat, könnte sich hier eher langweilen. Aber auch hier geschehen schon mysteriöse Todesfälle, deren Zusammenhang zu seinem Fall der Detektiv aber erst später erkennt, und in Teil 2 nimmt die Krimihandlung dann deutlich mehr Fahrt auf und die Plattensuche gerät etwas in den Hintergrund.

Fazit: Herrlicher und origineller Vinyl-Krimi mit wunderbaren, skurrilen Figuren und viel Wissen über Platten und Jazzmusik. Auch Katzenfans kommen auf ihre Kosten. Wer das alles nicht mag, lässt besser die Finger davon, allen anderen sei das Buch wärmstens empfohlen. Wer den Humor Ben Aaronovitchs mochte, wird dieses Buch ebenfalls lieben, und Krimifans erwartet eine schlüssige, gut geschriebene und durchaus spannende Krimihandlung. Der Schluss kam mir etwas zu abrupt, ich werde aber dadurch versöhnlich gestimmt, dass es die Folgebände (in Großbritannien erscheint demnächst der vierte Band) bald auch auf deutsch gibt. Ich will unbedingt wissen, was für Aufträge der Vinyldetektiv weiterhin bekommt, wie es mit seinen amourösen Verstrickungen weitergeht und ob er vielleicht einmal seinen Namen verrät...