Rezension

Originelle Figuren und eine außergewöhnliche Fantasy-Idee - sehr gelungen!

Schwester golden, Bruder aus Stein - Alexandra Dichtler

Schwester golden, Bruder aus Stein
von Alexandra Dichtler

Bewertet mit 4 Sternen

Originelle Figuren und eine außergewöhnliche Fantasy-Idee: Eine Buch, das definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient

Inhalt

Mit ihren gerade mal 17 Jahren ist Lotta in vielerlei Hinsicht gescheitert: Nur mit Ach und Krach hat sie den Hauptschulabschluss geschafft und muss eine Bildungsmaßnahme des Arbeitsamtes besuchen. Kontakt zu Gleichaltrigen hat sie wenig, da sie es mit kaum einem Menschen aushält.
Schuld daran ist eine nie versiegende, innere Wut, die sie sich nicht erklären kann und die ihr die Konzentration und die Beherrschung raubt. Die einzige Besänftigung, die ihr "innerer Ofen" kennt, ist ein Spaziergang im Wald, mit dem Lotta sich auf magische Weise verbunden fühlt.
Als als Jurij und dessen kleine Schwester Ludmilla kennenlernt, entdeckt Lotta eine neue, beruhigendere Art, ihren Ofen zu beruhigen. Gleichzeitig beginnt sie die Stimme eines Mädchens zu hören, das ihr fremd und zugleich vertraut ist. Wird Lotta verrückt? Ist sie vielleicht schizophren, wie Jurijs Bruder Stas? Oder steckt mehr hinter diesen Ereignissen - ein Geheimnis, das sie nie hätte erahnen können?

Meinung

Beim Durchblättern des Verlagsprogramms fielen mir Titel und Cover von "Schwester golden, Bruder aus Stein" sofort ins Auge (Was wieder einmal der Beweis ist, dass sich gerade für kleine Verlage gute Coverdesigns lohnen.) und jetzt nach dem Lesen kann ich sagen, dass mich auch der Inhalt des Buches nicht enttäuscht hat.

Was mir an diesem Debütroman besonders gefallen hat, waren die Figuren.
Lotta ist eine sehr ungewöhnliche Hauptfigur für ein Jugendbuch, allein von ihrem "Werdegang", ihrem Äußerlichen (sie ist kleinwüchsig) und ihrem Charakter (ewig schlecht gelaunte Kratzbürste) her. Gleichzeitig ist sie einem sehr sympathisch, denn man lernt viel über ihr schwieriges Leben und kann sich zudem über ihre schlagfertigen und bissigen Kommentare amüsieren. Man kann sich das ganze Buch hindurch sehr gut mit ihr identifizieren.
Auch Jurij ist - anders, als man es von den männlichen Figuren aus Jugendbücher oft gewohnt ist - kein strahlender, charmanter Held, sondern ein verpeilter, aber verantwortungsbewusster und liebenswerter Familienmensch, der nie versucht, sich als größer oder stärker aufzuspielen, als er ist.
Auch die Nebenfiguren - und das ist bei einem so kurzen Buch nicht selbstverständlich - sind allesamt originell, sehr liebenswert und gut ausgearbeitet, auch wenn der Fokus des Romans natürlich auf Lotta liegt.

Sehr gut gefallen hat mir auch der Aufbau des Buches, denn die Handlung baut sich langsam aber sicher auf und die Spannung steigert sich immer weiter, bis sie sich schließlich im großen Showdown löst, der dann auch die Auflösung der angedeuteten Geheimnisse offenbart und beweist, dass "Schwester golden, Bruder aus Stein" ein Thema behandelt, von dem ich in der Fantasy-Literatur bisher noch nie gehört hatte und über das ich gerne noch sehr viel mehr gelesen hätte.
Lediglich die große Erklärung und ein Teil der Auflösung kamen mir auf knapp 20 Seiten etwas zu schnell, dafür, dass die gespannte Erwartung auf diese Informationen so lange und gekonnt gesteigert wurde.
Angenehm fällt auch auf, dass der Roman entgegen des häufig zu findenden Jugendbuchklischees keine künstliche, auf einem Missverständnis aufbauende Dramatik zwischen den Hauptfiguren erzeugt, sondern alles authentisch und nachvollziehbar vonstatten geht.

Der Schreibstil schließlich ist angenehm zu lesen und auf authentische Weise an Lotta angepasst, ohne dabei zu gewollt jugendlich zu wirken. Spannungssteigernd sind auch Kapitel in der Du-Perspektive geschrieben, die - passend zum entsprechenden Charakter - in einen anderen Schreibstil verfasst sind.

Fazit

"Schwester golden, Bruder aus Stein" ist ein ungewöhnlicher Fantasy-Roman, der definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient. Die Idee ist neu und faszinierend, die Figuren angenehm authentisch und untypisch und die Spannung wird geschickt aufgebaut. Lediglich länger hätte das Buch sein dürfen, um dem Fantasy-Aspekt, der erst am Ende erklärt wird, und der dazugehörigen Auflösung mehr Raum zu verleihen. Ich vergebe sehr gute 4 Sterne und eine Leseempfehlung.