Rezension

Pack den Drachen in den Tank! - intelligente Fantasy

Das Erwachen des Feuers - Anthony Ryan

Das Erwachen des Feuers
von Anthony Ryan

Bewertet mit 4.5 Sternen

Arradsia ist der einzige Kontinent auf der Welt, auf dem die Drachen leben können. Und das Blut der Drachen bildet die Grundlage der technisierten Zivilisation der Gegenwart: Einer aus tausend kann mit dem Blut der Drachen - ja nach Farbe – Kräfte entfesseln und spezielle Maschinen betreiben. Zwar gibt es auch Feuerstein und Zunder, Kohle und Ölfeuerung, aber Drachenblut weckt erst den Tiger im Tank. Oder im Soldaten. Oder in der Spionin. Blutgesegnete – das sind fast Zauberer.

Vier Farben und vier Drachenarten unterscheidet man auf Arradsia: blau, rot, grün und schwarz. Doch es gibt ein Gerücht, dass es einen weißen Drachen geben soll. Und die Suche nach diesem weißen Drachen bringt die Handlung ins Rollen, die auf drei Gleisen erzählt wird: Der Dieb und unregistrierte Blugesegnete Claydon „Clay“ Torcreek reist mit einer Expedition aus hartgesottenen Söldnern ins gefährliche Innere des Kontinentes. Lizenne Lethridge hingegen ist eine blutgesegnete Meisterspionin und wird als Agentin in die feindliche Nachbarstadt geschickt, um geheimnisvolle Hinweise auf den weißen Drachen zu stehlen. Als Dritter gerät der Marineoffizier Corrick Hilemore auf dem schnellsten „Blutbrenner“ der Kriegsmarine in Seeschlachten und in untiefe Seen.

Der erste Band der Trilogie bringt die drei Point-of-View-Figuren in Stellung, lässt sie die Exposition für das Drama erleben und wartet mit einer Menge Pulverdampf und Drachenkreischen auf, die ab Beginn des zweiten Drittels dem Roman die Geschwindigkeit eines „Blutbrenners“ gibt. Es wird auch extrem viel Blut vergossen …

Bis zu diesem Punkt ächzt der Motor der Geschichte ein wenig, weil die Idee der speziellen Blutmagie noch nicht zündet, man beim Lesen noch mit den drei sehr unterschiedlichen Schauplätzen fremdelt und vor allem noch gar keine Entscheidung treffen kann, auf wessen Seite man eigentlich stehen möchte in dem aufkommenden Konflikt.

Und dieser Konflikt hat es in sich, denn damit leistet Anthony Ryan einen großen Beitrag zur Bedeutung von Fantasy als „Literatur“. Zwei hauptsächliche Konflikte brechen auf:

Zwischen den Menschen und den Drachen kommt es zum Clinch, weil der Mensch es mit dem Raubbau an den Ressourcen und der Grundlage seiner Zivilisation zu weit treibt: Die Drachen scheinen auszusterben, die magische Qualität ihres Blutes nimmt ab. Die große ökologische Allegorie, die dahinter steckt, ist nicht gerade subtil, aber sie zeigt, wie Fantasy aktuelle gesellschaftliche Probleme aufgreifen und zu einem fantastischen Stoff verweben kann. Angesichts der unwürdigen Behandlung der Kreatur Drache durch den Menschen auf der einen, der urtümlichen Gewalttätigkeit des Monstrums auf der anderen Seite ist es gar nicht so leicht, sich in den Grauschattierungen dieses Konflikts als Leser zu positionieren. Gut gemacht!

Der zweite Konflikt ist politisch: Schon dreimal sind das Corvantinische Kaiserreich und die Syndikate Mandinoriens kriegerisch aneinander geraten, ein vierter Krieg um die Ressourcen Arradsias steht unmittelbar bevor. In dieser Mischung aus Kolonialkrieg und Verteilungskampf streiten allerdings Pest gegen Cholera: Das Kaiserreich ist eine despotische Diktatur, in der kein Mensch gern leben möchte, Mandinorien hingegen wird vom entfesselten Kapitalismus regiert, nämlich von den großen Konzernen, für die es nur Profite gibt, keine Menschen. Auch hier stehen die beiden Reiche allegorisch für gesellschaftliche Diskurse unserer Zeit. Gut gemacht!

Dass dazwischen ein ganz und gar nicht verkopfter, blutig-abenteuerlicher Plot zwischen Fantasy und Steampunk in irrer Geschwindigkeit abgeht, macht Spaß – ab dem zweiten Drittel. Man darf also auf die Fortsetzung hoffen!