Rezension

Packend, erschütternd und unfassbar

Verrat - Jessica Schulte am Hülse

Verrat
von Jessica Schulte am Hülse

Bewertet mit 4 Sternen

Der französische Offizier, Diplomat und Schriftsteller François VI. Duc de La Rochefoucauld hat einmal gesagt: „Verrätereien begeht man öfter aus Schwäche als in der ausgesprochenen Absicht, zu verraten.“ Und dies spiegelt sich in dem Buch "Verrat. Sieben Verbrechen an der Liebe" von der Autorin und freien Journalistin Jessica Schulte am Hülse definitiv wieder. In den sieben Kurzgeschichten zum Thema Liebe, die im Übrigen alle auf wahren Begebenheiten beruhen, geht es um Beziehungen zwischen Menschen, die sich im Namen der Liebe belügen, betrügen oder manipulieren. Was als hoffnungsvolle und gedeihende Beziehung begann, liegt später in Scherben oder endet sogar in einem Desaster.

Jede Geschichte ist für sich komplex und facettenreich. Keine gleicht der anderen, obwohl alle ein Thema gemein haben: Verrat. Entweder ist es der Verrat an einer anderen Person, an sich selbst oder eine Kombination aus beidem. Es geht auch darum, was Menschen der Liebe willen alles auf sich nehmen, ertragen und erleiden. Als Leser erlebt man Unvorstellbares.

Oft habe ich mich gefragt, warum die Protagonisten sich überhaupt aufeinander eingelassen haben oder warum sie den Ausstieg aus den trostlosen Beziehungen nicht eher geschafft haben. War es die Hoffnung auf Besserung? Die Sehnsucht nach Liebe? Oder gar die Angst vor dem Alleinsein? Auch die Frage „Was wäre wenn ...“ schwebte immer im Raum. Was wäre gewesen, wenn die Personen einen anderen Menschen kennengelernt hätten? Wäre dann alles anders verlaufen? Fragen über Fragen, die sich nicht wirklich beantworten lassen.

Passend zu den deprimierenden und ernsten Thematiken ist der Schreibstil klar, sachlich und nüchtern. Während der Handlung gibt es des Öfteren Sprünge von der Gegenwart in die Vergangenheit, um den Sachverhalt der jeweiligen Situation besser zu verstehen. Das war für mich erst einmal etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Im Grunde war das auch ein interessanter Schachzug, da man so nach und nach die Puzzlestücke zusammensetzen konnte, die dann schluss­end­lich ein klares Gesamtbild ergaben. Allerdings war das nicht bei jeder Geschichte der Fall. Manche ließen mich auch verwirrt zurück. Hier wäre ein Epilog oder Nachwort interessant gewesen, um zu erfahren, wie es den jeweiligen Personen danach ergangen ist.

Eins kann ich jedenfalls versprechen. Die Geschichten sind so unfassbar und erschütternd, sodass sie noch eine nachhallende Wirkung haben. Daher kann ich nur raten, immer nur eine Geschichte pro Tag zu lesen, da eine Aufarbeitung mit dem aufgenommenen Inhalt unvermeidbar ist. Zudem möchte ich noch darauf hinweisen, dass es hier so gut wie kein Happy End gibt. Wer also lieber glücklich endende Geschichten mag, sollte lieber zu einem anderen Buch greifen.

Fazit: Packend, erschütternd und unfassbar. Sieben wahre Geschichten, die zum Nachdenken anregen und uns an Verletzungen teilhaben lassen, die sich Menschen willentlich oder unwillentlich angetan haben. Definitiv keine leichte Kost!