Rezension

Packend von Anfang bis Ende

Stern des Nordens - D. B. John

Stern des Nordens
von D. B. John

Bewertet mit 5 Sternen

Nordkorea strahlt etwas Düsteres, etwas Surreales aus. Ein Land, das in seiner eigenen Welt lebt, ein Land, in dem den Menschen erzählt wird, dass sie in Wohlstand leben und der Rest der Welt in Armut. Ein Land, das schon einige Hungersnöte durchstehen musste, ein Land, in dem Lügen auf der Tagesordnung stehen. Auf „Stern des Nordens“ habe ich mich lange gefreut, weil ich noch nie einen Thriller gelesen habe, der in Nordkorea spielt – und er hat mich schwer beeindruckt.

Es gibt anfangs drei Erzählstränge – den von Jenna, den von Cho und den von Frau Moon. Jenna ist die Zwillingsschwester von Soo-min, die vor zwölf Jahren – 1998, das Buch spielt größtenteils 2010 – entführt wurde. Dass sie entführt und nicht ertrunken ist, dessen ist sich Jenna recht schnell sicher. D.B. John beschreibt uns eindrucksvoll die Beziehung zwischen Jenna, die eigentliche Jee-min heißt, und Soo-min. Zwei Schwestern, die über tausende Kilometer ohne Telefon und Internet kommunizieren können – so eine Beziehung gibt es nur zwischen Zwillingen. Seit dem Verschwinden ihrer Schwester ist Jenna allerdings psychisch labil und hat immer wiederkehrende Albträume, gegen die sie zwar Medikamente nimmt, die ihr ihr Psychiater aber eigentlich nicht mehr geben will.

Cho gehört zu Nordkoreas Elite. Er ist Anfang dreißig und damit nur minimal älter als Jenna, die dreißig ist. Cho ist verheiratet und hat einen Sohn, der durchgehend Puzzle genannt wird. Sein Bruder und er wurden adoptiert, was gleich zu Beginn eine Rolle spielt, denn sein Bruder soll in naher Zukunft zu einem hochrangigen Posten befördert werden – vorher müssen aber die Ahnen der beiden ausgeforscht werden. Sollten diese der unteren von insgesamt drei Nordkoreanischen Kasten angehört haben, könnte es statt der Beförderung auch die Todesstrafe bedeuten.

Frau Moons Erzählstrang konnte ich anfangs nicht wirklich einen Sinn abgewinnen, vielmehr scheint er den Alltag einer normalen Nordkoreanerin zu beschreiben; permanente Schikanen inklusive. Frau Moon arbeitet eigentlich in einer Fabrik – nachdem sie bei einem Überwachungsballon allerdings westliche Schokokekse findet, verhökert sie diese um viel Geld und eröffnet damit ein kleines Gewerbe am örtlichen Markt. Frau Moon ist ein grundsympathischer Charakter, der sich durchzusetzen weiß und sich von niemanden etwas sagen lässt.

„Stern des Nordens“ ist ein sehr faktenorientierter Thriller, der aber zu keiner Zeit auf die Geschichte vergisst und von Anfang an eine umfassende Atmosphäre schafft. Das Buch packt einen von Anfang an und zieht einen durch eine Welt, in der keiner richtig glücklich ist – obendrein ist es hochinteressant, wenn man sich für das Thema interessiert. Man merkt nicht nur am üppigen Anhang, dass sich D.B. John umfassend mit Nordkorea beschäftigt hat. Nicht zuletzt, weil er „Schwarze Magnolie: Wie ich aus Nordkorea entkam" geschrieben hat, verleiht er „Stern des Nordens“ auch  eine irrsinnige Authentizität.

Das Buch beinhaltet alle Farben, die ein Thriller haben kann: Schwarz, Weiß und alle Grautöne dazwischen. Wem welche Farbe zukommt, muss allerdings jeder selbst entscheiden. Gegen Ende setzt John auch ein mutiges Statement betreffend des Umgangs mit Nordkorea, über den man durchaus nachdenken könnte, der aber auch Risiken beherbergt. Ich kann jedenfalls nur sagen, dass mich „Stern des Nordens“ schwer beeindruckt hat und ich hoffe, dass es nicht der letzte Thriller von D.B. John bleibt.

Negativ sei noch angemerkt, dass nicht ganz ersichtlich ist, warum das CIA an Jenna herantritt und sie anwirbt. Dass sie den höchsten IQ Virginias hat, ist mir zu wenig – zumal Jennas psychische Instabilität erschwerend hinzukommt, die irgendwann allerdings gar keine Rolle mehr zu spielen scheint.

Auch die Action am Ende passt nicht wirklich zum sonst eher ruhigen Plot. Außerdem fand ich die teilweise Verherrlichung von Crystal Meth nicht so gut.

Tl;dr: „Stern des Nordens" ist ein sehr faktenorientierter und atmosphärischer Thriller, der großteils im düsteren Nordkorea spielt und einen von Anfang bis Ende packt. Der großteils ruhigen Thriller wartet mit einem sehr actionreichen Showdown auf, was nicht ganz zur restlichen Geschichte passt. Auch, dass teilweise härteste Drogen verherrlicht werden, fand ich nicht gut.