Packender Jugendthriller mit Mystery-Elementen
Bewertet mit 5 Sternen
Seit ich Marisha Pessls Debütroman "Die alltägliche Physik des Unglücks" gelesen habe, bin ich ein großer Fan der Autorin. Auch ihr Nachfolger "Die amerikanische Nacht" hat mich total begeistert (sogar noch ein wenig mehr als das Debüt). So war ich mehr als gespannt auf ihr neuestes Werk - ein Jugendbuch sollte es diesmal sein.
Zu den Äußerlichkeiten:
Der Carlsen-Verlag hat das Buch in einen tollen Umschlag gepackt. Eine Unterwasser-Welt, in denen Rosen schwimmen - zudem sind die Wassertropfen durch die besondere Drucktechnik spürbar. Ohne Umschlag sehen wir in tiefschwarzes Wasser, die Oberfläche steht nicht still und deutet schon an, dass dem Leser mit "Niemalswelt" eine aufwühlende Reise bevorsteht.
Zum Inhalt:
In "Niemalswelt" geraten Bee und ihre Freunde, die sie seit dem Tod ihres Freundes Jim nicht mehr gesehen hat, in eine Zeitschleife zwischen Leben und Tod. Der Wächter dieser Welt teilt ihnen mit, dass nur einer von ihnen diese Zeitschleife lebend verlassen kann - und die Freunde müssen sich darauf einigen, wer das ist. Jims mysteriöser Tod scheint der Schlüssel zur Entscheidung zu sein und die Freunde geraten in einen Strudel aus Gefahren und lange verschwiegenen Wahrheiten.
Das Buch:
Was für eine spannende Grundidee! Mir ist hier sofort Harold Ramis Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" in den Sinn gekommen - natürlich in einer weniger komödiantischen Ausführung. Die Prämisse - jeder Tag ist wie der vorherige und die Zeitschleife wird erst durchbrochen, wenn man das Richtige getan hat - ist jedoch ähnlich. Zeitschleifen-Geschichten gehören zu meinen Favoriten- eine gute Voraussetzung für das Lesen dieses Buches.
Bereits auf den ersten Seiten schafft es Marisha Pessl, den Sog zu entwickeln, den der mich auch in ihren ersten beiden Büchern mitgerissen hat. Sie schreibt auf eine derart mitreißende Art, dass es überhaupt keine Anlaufschwierigkeiten gibt. Der Leser ist sofort mittendrin und versinkt in der Geschichte! Das ist wahre Schreibkunst!
Wie in ihren anderen beiden Büchern gibt es auch in "Niemalswelt" immer wieder Anspielungen auf literarische Größen wie Ernest Hemingway oder cineastische Verweise wie z. B., dass Bees Eltern eine Tradition haben, den umwerfend komischen Film "Sein Mädchen für besondere Fälle" anzusehen. Dass die Autorin ein Faible für Literatur und Film hegt, ist überdeutlich und ein Grund mehr, warum ich ihre Bücher liebe.
Die Jugendlichen fechten nicht nur Kämpfe mit den anderen darüber aus, wer von ihnen leben darf, sie kämpfen auch mit ihren eigenen Dämonen. Jeder hat seine Geheimnisse, die nach und nach herauskommen. Und während sich die Freunde in der Niemalswelt verändern (auf eine Art erwachsen werden), mischen sich in ihre Gedanken auch immer wieder philosophische Fragen. Zitat Seite 90: "Ohne Zeit hatte nichts eine Bedeutung. Bisher hatte ich nicht verstanden, wie wichtig das Vergehen der Zeit war, um etwas wirklich schätzen zu können. Sie verlieh allem ein Verfallsdatum, einen Docht, eine brennende Lunte. Ohne sie stand alles still und wartete dumpf." Den Freunden wird klar, wie wertvoll das (zeitlich begrenzte) Leben ist und dass man seine Zeit zu schätzen wissen sollte.
Marisha Pessl ist ein packendes Jugendbuch gelungen, in dem sich Mystery mit Thriller und Coming-of-Age mischt und trotz der fantastischen Elemente nicht unrealistisch wirkt. Durch das hohe Tempo und die vielen Wendungen ist "Niemalswelt" nicht eine Sekunde langatmig. Für dieses absolut perfekte Jugendbuch vergebe ich 5 Sterne!