Rezension

Packendes Beziehungsdrama mit zwei vielschichtigen Protagonisten

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. - Camilla Läckberg

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.
von Camilla Läckberg

Bewertet mit 5 Sternen

Befreiungsschlag

Auf Camilla Läckbergs neuestes Werk Golden Cage war ich ganz besonders gespannt, denn es ist der erste Roman, der nicht zu ihrer erfolgreichen Fjällbacka-Thrillerreihe zählt. Das Warten hat sich gelohnt, denn ihr Neuling ist eine Klasse für sich und übertrifft sogar an Spannung und Qualität noch meinen Allzeit-Favoriten der Autorin, Meerjungfrau, um Längen. Was also macht diese Geschichte so außergewöhnlich? Zum einen ist das hochkarätige Beziehungsdrama brillant konzipiert und äußerst fesselnd erzählt. Zum anderen ist es ein Buch, das die Stärke, die enorme Willenskraft und die Überlebensfähigkeit von Frauen in den Vordergrund stellt. Als Leser merkt man schnell, wie viel Herzblut der Autorin in dieser Erzählung steckt. Erst kürzlich verriet sie in einem Interview:

"Ich bin mutiger und stärker geworden. Erst jetzt habe ich mich an diesen Stoff getraut. Und außerdem habe ich die Geduld verloren mit allen, die versuchen, Frauen zum Schweigen zu bringen."1

Diese Kraft und Unerschrockenheit hat Läckberg auf ihre Protagonistin übertragen, die sich weder in ein Schema pressen lässt noch in ein antiquiertes Frauenklischee passt. Obwohl sie zu Beginn der Geschichte untergeordnet und stets verständnisvoll erscheint, ist unterschwellig in jeder Zeile zu spüren, dass sie die Rolle des braven Frauchen nicht für immer ausfüllen wird, denn zu hoch ist ihr Selbstwertgefühl, zu stark ihr Wissen um ihre eigenen Fähigkeiten. Und so lässt sie sich auf einen riskanten Tanz mit dem Teufel ein, bei dem sie eigentlich nur verlieren kann. Eigentlich…

Das Ende eines Traumpaars

Oberflächlich betrachtet sind Faye und Jack das perfekte Paar der Haute Volée Schwedens. Mit seinem Investmentunternehmen Compare hat sich Jack als erfolgreicher Geschäftsmann etabliert. Faye führt ein Leben im Luxus und kümmert sich liebevoll um Töchterchen Julienne. Doch hinter verschlossenen Türen bröckelt die Heile-Welt-Fassade: Jack macht keinen Hehl daraus, wie sehr er seine Frau verachtet: Für ihn ist sie nicht mehr interessant, vor allem aber nicht mehr jung und dünn genug. Der Kick ist verflogen, und Jack lässt keine Gelegenheit aus, um sie das spüren zu lassen. So sehr sich Faye – mittels Diät, Sport etc. – auch bemüht, seinem Schönheitsideal wieder zu entsprechen, umso öfter demütigt er sie.

Schlussstrich

Zunächst versucht Faye noch, Jacks Verhalten zu entschuldigen und seine wechselnden, für sie unerträglichen Launen mit geschäftlichem Stress zu rechtfertigen. Selbst als er sie zu etwas zwingt, was sie moralisch verwerflich findet und vor sich selbst in keiner Weise verantworten kann, gehorcht sie und gibt seinem Willen nach. Als sie Jack jedoch in flagranti mit seiner jungen Assistentin Ylva erwischt, hat Faye endgültig genug. Sie will die Scheidung und ist sich sicher, von dem Geld, das sie von Jack im Trennungsfall erhalten wird, mit Julienne gut leben zu können.

Doch sie hat die Rechnung ohne Jack gemacht. Er ist nicht bereit, ihr auch nur einen Cent zu zahlen und schlägt ihr vor, sich doch eine Arbeit zu suchen. Faye schäumt, denn sie weiß, dass Jack ohne sie niemals an die Spitze gekommen wäre. Sie war es, die den Business Plan für sein kleines Start-up Unternehmen erstellte, und es waren ihre Ideen, die das Unternehmen so erfolgreich machten.

Ein grauenvoller Verdacht

Faye wird schmerzlich bewusst, dass sie für diesen unberechenbaren Narzissten ihre unternehmerische Karriere aufgegeben hat und dass sie mit ihrer kleinen Tochter nun vor dem Nichts steht. Nach dem ersten Schock und tiefen Selbstzweifeln fängt sich Faye wieder und kämpft sich mühsam ins Leben zurück. Sie setzt zum Befreiungsschlag an und ihr zunächst wenig erfolgversprechender Plan, für sich und ihre Tochter eine unabhängige Existenz aufzubauen, geht langsam aber sicher auf.

Doch dann verschwinden Jack und Julienne nach einem Bootsausflug spurlos. Faye ist außer sich vor Angst und rechnet mit dem Schlimmsten, denn sie weiß, dass Jack ihre Eigenständigkeit ein Dorn im Auge ist und er nach einem Weg sucht, um sie in die Knie zu zwingen. Doch wäre er wirklich imstande, ihrer Tochter etwas anzutun, um sie zu bestrafen?

Packender Psychothriller mit zwei vielschichtigen Protagonisten

Golden Cage ist meines Erachtens Camilla Läckbergs bester Roman. Die hochspannende Story lebt von der Intensität ihrer beiden vielschichtigen Hauptcharaktere Faye und Jack, die – so scheint es zunächst – einem VIP-Hochglanzmagazin entsprungen sein könnten. Doch der Schein trügt: Weder Faye noch Jack sind das, was sie vorgeben zu sein. Die Autorin nimmt die Rollen- bzw. Schwarz-Weiß-Klischees im Laufe ihrer packenden Story Stück für Stück auseinander und legt die Wahrheit hinter der Fassade offen. Dies gilt für Jack und Faye gleichermaßen, denn auch Faye ist keinesfalls nur das arme Opfer. Parallel zu den aktuellen Geschehnissen um das sich bekämpfende Paar und das Drama ihrer verschwundenen Tochter entspinnt Läckberg in separaten Kapiteln Fayes Vorgeschichte, die es ebenfalls in sich hat und den Leser zuweilen irritiert zurücklässt.

Schleichend entwickelt sich die eskalierende Beziehungstragödie mittels eines raffinierten Spannungsbogens zu einem nervenaufreibenden Psychothriller, dessen Ausgang mehr als überraschend ist. Nichts bleibt, wie es ist, Grenzen verschwimmen, und alles wird auf den Kopf gestellt, nur um sich am Ende zu einem perfekten Ganzen zusammenzufügen. Das ist die  außergewöhnliche literarische Kunst von Camilla Läckberg, die sich mit ihrem neuen Roman meines Erachtens selbst übertroffen hat.

Daher mein Fazit: Für mich bisher einer der besten Romane des Jahres. Unbedingt lesenswert!

1) Das o.g. Zitat ist der deutschen Romanausgabe entnommen.