Rezension

Pageturner sondergleichen

Die Zeuginnen - Margaret Atwood

Die Zeuginnen
von Margaret Atwood

Bewertet mit 5 Sternen

Margaret Atwood schreibt nach 35 Jahren eine Fortsetzung von ihrem Wahnsinnserfolg „Der Report der Magd“. Das ist sensationell.
Aber braucht wirklich alles eine Fortsetzung, fragt man sich. Sollte man nicht das Thema ruhen lassen, wenn man einen Superhit gelandet hat? Kann man den Report der Magd toppen? Nein, garantiert nicht. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert, denkt man und kauft dieses Buch trotzdem. Nicht nur das, man schlägt es auf und inhaliert es, ich jedenfalls.  

Das Reich Gilead ist gescheitert und jetzt sprechen Zeuginnen ganz unterschiedlicher Art und erzählen uns, wie es dazu kam.
Tante Lydia zum Beispiel erzählt von ihrem persönlichen Schicksal, aber auch vom Aufstieg und Fall dieses menschenverachtenden Gottesstaates. Sie ist die oberste aller Tanten, aber ist sie loyal?
Agnes Jemima ist eine Tochter aus gutem Haus in Gilead, stellt aber fest, dass sie genauso in ihrer Rolle gefangen ist, wie jede Magd oder Martha.
Und Daisy, ein ganz normales Mädchen aus Kanada, muss auf schmerzliche Art erfahren, dass sie eng mit Mayday, der Widerstandsbewegung, verbunden ist, ohne je davon geahnt zu haben.

Dieses Buch ist ein Pageturner sondergleichen, fängt man an, hört man nicht mehr auf.
Es zeigt unterschiedlichste Gesichter Gileads, wo wir bislang nur eines kannten und es lässt in Abgründe blicken. Unter dem Deckmantel tiefster Frömmigkeit haben die Führer dieses Landes nur ihr eigenes Wohl im Blick und gehen dabei über Leichen. Frauen sind gefangen in ihren Rollen und selbst wenn sie höher gestellte Ehefrauen sind, haben sie keine Wahl, wer aus der Rolle fällt ist tot. In Gilead hat man alles nach Gottes vermeintlichem Willen geregelt und da gibt es keine Alternativen.

Während die Geschichte maximal fesselt, habe ich ein klein wenig die sprachliche Finesse vermisst, die ich von anderen Büchern der Autorin gewohnt bin. Auch ihr unnachahmlicher Humor kommt erst im Epilog wirklich zum Tragen. Ich vermute, dass das einer etwas überhasteten Übersetzung geschuldet ist, aber gut, wir bekommen die deutsche Version gleichzeitig mit dem Erscheinen des Originals serviert. Wer will sich da beschweren?

„Die Zeuginnen“ sind mindestens so eindrucksvoll wie ihr Vorgänger, bieten außerdem noch Stoff für bestimmt fünf weitere Staffeln der Fernsehserie und lassen noch ein klein wenig Luft für eine weitere Fortsetzung. Auf geht’s, Margaret, ich bin die Erste, die sie kauft!

Kommentare

hobble kommentierte am 12. September 2019 um 07:12

was fürs wunschregal