Rezension

Paranormale nostalgische Romanze

Mit dir für alle Zeit - Lisa Grunwald

Mit dir für alle Zeit
von Lisa Grunwald

Die Autorin Lisa Grunwald war mir vor der Lektüre kein Begriff. Mich hat hauptsächlich das wunderschöne nostalgische Cover angesprochen. Reine Liebesgeschichten lese ich nur, wenn sie wirklich vielversprechend klingen und das war hier auch der Fall. Eine Liebe "durch alle Zeiten" verlautbarte eine Pressestimme, das klang ein wenig nach "Outlander". Auch in “Mit dir für alle Zeit” gibt es eine Liebe, die eigentlich nicht sein kann und darf, weil sie die Gesetzmäßigkeiten von Raum und Zeit aus den Angeln hebt.

Die Liebe zwischen Joe und Nora beginnt im Jahr 1937, als der Weichenmechaniker aus Queens am Grand Central Bahnhof in New York die junge Frau aus gutem Hause kennenlernt. Er ist 33, sie 23, alles könnte so schön sein, doch da ist die unverbrüchliche Tatsache, dass Nora eigentlich tot ist. Sie ist 1925 bei einem Subway-Unglück im Grand Central, dem Hauptbahnhof von New York City, ums Leben gekommen und taucht in manchen Jahren an ihrem Todestag im Dezember wieder auf. Ja, Fantasy-Elemente spielen in diese Liebesgeschichte hinein und sollten alle potenziellen Leser außen vor lassen, die mit so etwas nicht klar kommen. Auch ich musste mich auf das Buch einlassen und hinnehmen, dass es eine quasi “magische” Geschichte ist und manche Handlungselemente eben so sind wie sie sind. Wenn man anfängt, die Dinge zu hinterfragen, wird es nämlich problematisch. Also: “willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit” (”willing suspension of disbelief”), wie es der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge zum Thema unrealistischer Szenen sagte. Es ist schließlich eine Liebesgeschichte, Intention dürfte es also sein, das Herz des Lesers zu berühren. Das hat die Autorin bei mir nur bedingt geschafft. Ich muss sagen, die Geschichte war schon tragisch, aber ich hätte mir noch etwas mehr Intensität und Leidenschaft gewünscht. Die Protagonisten Joe und Nora machen doch viel mit sich selbst aus, hadern mit sich und ihrer Situation oder setzen sich mit ihrer Familie (Joe) oder ihrer Vergangenheit bzw. merkwürdigen Gegenwart (Nora) auseinander. Manchmal leben sie richtig nebeneinander her und ihre innige Verbundenheit kommt nur in sehr wenigen Szenen kurz zum Vorschein.

 

Auch von der Struktur her habe ich mir diesen Roman ein wenig anders vorgestellt [evtl. Spoiler]. Ich dachte wirklich, dass Nora nur an ihren Todestagen, also einmal im Jahr, auftauchen und dann wieder verschwinden würde. Tatsächlich ist es aber so, dass sie nach ein paar Jahren bereits über ein Jahr mit Joe im Bereich des Terminals zusammenlebt, ohne zu verschwinden. Warum das so ist, erfahren wir zwar mit der Zeit, aber es wird erstmal so hingenommen von den Protagonisten. Ich hätte mir eine größere Zeitspanne gewünscht, in der Nora wirklich nur einmal pro Jahr auftaucht und nur diesen einen Tag bleibt. Erzählt werden nämlich nur die Jahre 1937-1947 (mit einigen Rückblenden in Noras Vergangenheit). Der Autorin hat es aber wohl gereicht, die Problematik des Alterns bei Joe nur anzuschneiden. Es wäre spannend gewesen zu erfahren, wie Nora mit einem z.B. 86-jährigen Joe umgegangen wäre bzw. er mit ihr.

Was thematisch sehr interessant ist, ist das Phänomen "Manhattanhenge", das im Buch eine wichtige Rolle spielt. Jeder, der schon mal einen Sonnenauf- oder -untergang in Manhattan erlebt hat, weiß, wie mystisch und eindrucksvoll sich dieses Erlebnis auf den Betrachter ausnimmt. Von daher fand ich es sehr schön, dass dieses Ereignis, das sich durch das Aufeinandertreffen des Urbanen mit dem Natürlichen speist, einmal in einem Roman gewürdigt wird.

Fazit: Ein ganz netter paranormal-historischer Liebesroman, der aber meines Erachtens noch besser und intensiver hätte sein können.