Rezension

Penibel recherchiert und toll erzählt

Der Astronom und die Hexe - Ulinka Rublack

Der Astronom und die Hexe
von Ulinka Rublack

Bewertet mit 5 Sternen

~~Dieses Sachbuch beschäftigt sich mit Katharina Kepler (1546-1622), der Mutter von Johannes Kepler (1571-1630), die 1615 beschuldigt wird, eine Hexe zu sein.
Was sind die Gründe die knapp 70-Jährige vor das Gericht zu zerren? Neid, Missgunst oder hat sich die Keplerin doch irgendwelcher Verfehlungen begangen?

Anhand der noch erhaltenen Prozessakten und Briefen Johannes Keplers wird der Fall von Autorin Ulinka Ruback akribisch aufgearbeitet. Dabei ergibt sich ein detailliertes Bild dieser Zeit. Man steht an der Schwelle zur Neuzeit und in einigen Landstrichen hat man den Schritt schon gewagt und ist neuen Theorien offen. Die einfache Bevölkerung hängt jedoch eher den Traditionen an. Der Protestantismus ist gerade einmal 100 Jahre alt und die unterschiedlichen Glaubensfragen werden demnächst den Dreißigjährigen Krieg auslösen. Und hat nicht auch der als fortschrittlich gepriesene Martin Luther gepredigt, dass keine Hexen am Leben gelassen werden sollen?

Die Lebenserwartung der Menschen ist aufgrund einseitiger Ernährung, der unhygienischen Zustände, Hunger und Krankheiten eher gering. Frauen sterben ohnehin viel früher, da sie meistens während oder kurz nach einer der zahlreichen Entbindungen sterben. Eine Frau mit 40 ist alt, ein Mann befindet sich mit 40 im besten Mannesalter. Katharina Kepler ist beinahe 70 und ihre körperliche Erscheinung ist altersadäquat: weißhaarig, zahnlos, dürr, abgearbeitet und vermutlich durch Osteoporose bucklig – alles scheinbare Anzeichen einer Hexe. Selbst Sohn Johannes graut vor dem Aussehen seiner Mutter. In einigen Briefen bringt er das auch sehr deutlich zum Ausdruck. Auch die Überlegenheit des männlichen Geschlechtes ist fest in Keplers Gedankenwelt verankert. So schreibt er in seiner Verteidigungsschrift, dass seine Mutter verwirrt und nicht mehr ganz bei Sinnen sei.

Wenn er aber so eine schlechte Meinung von seiner Mutter hat, warum verteidigt er sie dann?

Dafür gibt es wohl mehrere Gründe: Unter anderem sorgt er sich um seine eigene Reputation, weil ein nach dem Hexerei-Paragraphen verurteiltes Familienmitglied hat Auswirkungen auf seine eigene Ehre und sein Fortkommen.
Erst als Katharina im Gefängnis sitzt (für deren halbwegs anständige Unterbringung die Familie aufkommen muss), spricht er ausführlich mit seiner Mutter. Jeden Punkt der Anklageschrift kann er nach diesen Erzählungen entkräften. Weiters kann er die Denunzianten der Verleumdung überführen. Dennoch sind sowohl Katharina als auch Johannes immer der Willkür des Gerichtes ausgeliefert. Egal was Katharina getan hat, es wird immer gegen sie verwendet. Als sie den Richter mit einem Silberbecher bestechen will, wird ihr das vorgeworfen, obwohl das damals gängige Praxis ist.

Dass Katharina Kepler letzten Endes nach sechs Jahren Prozess und Kerkerhaft im Jahre 1622 freigesprochen wird, grenzt an ein Wunder.

Meine Meinung:

Ulinka Rublack ist ein hervorragendes Sittenbild des 17. Jahrhunderts gelungen. Sie hat in verschiedenen Archiven intensiv und penibel recherchiert. Manchmal „muss“ sie diese, ihre Ergebnisse unbedingt an die Leser weitergeben und verzettelt sich ein wenig. So werden ähnliche Prozesse ebenfalls genau geschildert, was durchaus sehr interessant ist, aber den Leser aus Katharinas Geschichte herausreißt.
Besonders gelungen ist die Einbindung zahlreicher Abbildungen. Wir erhalten Eindrücke, wie Johannes Kepler und einige seiner Zeitgenossen ausgesehen haben, sowie Einblick in die erhaltenen Briefe bzw. Prozessakten. Eine Zeittafel und Landkarten sowie Faksimiles von Keplers mathematischen Schriften ergänzen dieses umfangreiche Sachbuch.

Fazit:

Dieses Sachbuch besticht durch die aufwändige Recherche und den flüssigen Schreibstil, der dem Leser von heute einen authentischen Eindruck des 17. Jahrhunderts vermittelt. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.